Die Zeit von 1975 bis 1984:
Irrungen und Wirrungen

(Dr. Heiner Neureither)

Seit dem Erscheinen der Festschrift zum 75-jährigen Jubiläum des SPD-Ortsvereins Leimen im Jahre 1979, an dem der Verfasser bereits mitgewirkt hat, sind entscheidende 25 Jahre vergangen, in denen die Weichen für die Entwicklung Leimens gestellt wurden. Der Zusammenschluss der Gemeinden Leimen und Gauangelloch (1973) und St. Ilgen (1975) zur Großgemeinde mit all den Problemen der ökonomisch und soziologisch unterschiedlich strukturierten Ortsteile, besonders aber die Ortskernsanierung Leimens, bis heute unvollendet, und die umstrittenste Phase der neueren Ortsgeschichte, die städtebauliche Ausweitung der 1981 zur Stadt und 1992 zur Großen Kreisstadt erhobenen Gemeinde, stellte die Verwaltung und die gesellschaftlich und politisch maßgeblichen Gruppen vor große Aufgaben. So blieb es nicht aus, dass die politischen Parteien in die zum Teil nicht ohne heftige Auseinandersetzungen ablaufenden Ereignisse mit einbezogen wurden und einem Wandel unterworfen waren, der sich sowohl in ihrer Vertretung im Gemeinderat als auch in der Neuformulierung ihres eigenen Selbstverständnisses äußerte.

Auch die SPD vor Ort war in die politischen Entscheidungs- und Wandlungsprozesse verflochten und erlebte die größten und bewegendsten Veränderungen ihrer Nachkriegsgeschichte. So ist ihre Geschichte auch unauslöschlicher Teil der allgemeinen Ortsgeschichte. Beim Durchblättern der gesammelten Vereinsakten, der Protokolle von Vorstandssitzungen und Mitgliederversammlungen und der Presseberichte ziehen vor dem geistigen Auge die Ereignisse der letzten 25 Jahre vorüber. Der Leser, der zudem selbst mit dabei war, ist in der Lage, wenn er sein Gedächtnis und seine Fantasie bemüht, einzelne Situationen in ihrer zeittypischen Atmosphäre sich lebhaft vorzustellen und im Rückblick ihre Bedeutung für den Ablauf zu bewerten. Personen tauchen auf, mit denen er zu tun hatte, auch längst verstorbene, ihre Motive und ihre ganz persönliche Art, sich im Ortsverein einzubringen. Die vielen Veranstaltungen, Wahlkämpfe, Sitzungen, Diskussionen, die sich neben der Bundes- und Landespolitik vornehmlich mit der Kommunalpolitik und ihren sich ändernden Aufgabenfeldern befassten.

Da die Auswirkungen der politischen Entscheidungen in die Gegenwart hineinragen und vieles noch nicht abgeschlossene Vergangenheit ist, muss die Frage nach dem Grad der Mitwirkung und der politischen Verantwortung von Personen und Gruppen gestellt werden. Die Vergangenheit holt uns immer wieder ein, auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen, wie der Streit um die Ehrbar`sche „Hinterlassenschaft“ nach 2000 zeigt. Bei den Mehrheitsverhältnissen im Gemeinderat ist die Frage nach der Beteiligung der sozialdemokratischen Mandatsträger nicht einfach zu beantworten, gleichwohl nicht zu unterschätzen. Der Einsatz der Sozialdemokraten für die politische Gemeinde mag im einzelnen nicht greifbar sein, doch Spuren bleiben, sichtbar in der gestalteten Wirklichkeit und im öffentlichen Bewusstsein. Wir wissen - gerade im zeitlichen Abstand – nur zu gut, wie sehr Erfolg und Misserfolg von verschiedenen Umständen abhängen, oft zielstrebig herbeigeführt oder nicht beeinflussbar wie z.B. die Wählerentscheidung. Und es ist nicht immer auszumachen, ob ein Handeln auch die erhoffte Wirkung zeitigt oder zum Schaden gereicht. Arbeit und Mühe von 25 Jahren, Ärger über menschliches Verhalten, Frust über subjektiv empfundene Fehlentwicklungen, Freude und Zufriedenheit über Gelungenes und Erreichtes, und das alles in einem Ehrenamt, das neben Beruf und Familie vom Einzelnen, besonders aber von den Gemeinderäten viel abverlangt.

Das Jahr 1975 war dabei das einschneidendste für die Zukunft Leimens, aber auch verworren und schwer entflechtbar wegen seines kommunalrechtlichen Schwebezustands und der heftigen parteipolitischen Gegnerschaften. Es gab einen neugewählten Gemeinderat, der aber wegen Einspruchs seine Arbeit nicht aufnehmen konnte, statt seiner existierte ein vom Regierungspräsidium eingesetzter vorläufiger Gemeinderat bis weit ins Spätjahr hinein, die Wahl eines neuen Bürgermeisters, der ebenfalls wegen Wahlanfechtung sein Amt nicht antreten konnte, und ein von der CDU-FWV-Mehrheit des vorläufigen Gemeinderats zum Amtsverweser bestellten späteren Wahlverlierers und früheren Bürgermeisters Otto Hoog. Vielleicht mit Verletzung des politischen Anstands, auf jeden Fall aber gegen den Willen der SPD als zweitstärksten Fraktion.

Das Ergebnis der Bürgermeisterwahl im September 1975 mit seinen beiden Urnengängen ist das Paradebeispiel und zugleich Spiegelbild der damaligen Auseinandersetzungen. Schien es der SPD nur darum zu gehen, Otto Hoog, mit dem die Fraktion schlechte Erfahrungen gemacht hatte, um jeden Preis zu verhindern, so hatte sie jedoch nicht berücksichtigt, daß letztlich - als Nachwirkung des zwangsweisen und von Leimen weder verschuldeten noch gewollten Zusammenschlusses mit St.Ilgen – die ortsspezifischen Rivalitäten zwischen den beiden Gemeinden mobilisiert wurden, wobei das Verhalten des Leimener SPD-Kandidaten Willi Dick ausschlaggebend war. Während St. Ilgen einschließlich des SPD-Ortsvereins und seiner traditionellen Wählerschaft eindeutig hinter Ehrbar stand, dem früheren Bürgermeister ihrer Gemeinde, hatten sich die Leimener Bürger mehr oder weniger zwischen den beiden „Hauskandidaten“ zu entscheiden. Dick holte im 1. Wahlgang 23,6 % gegen Hoog mit 35,8 % der Gesamtstimmen. Ehrbar erreichte 40,3 %. Dick zog nun seine Kandidatur für den zweiten Wahlgang trotz seiner Aussichtslosigkeit nicht etwa zurück und erreichte nur noch 10,3 %, während Ehrbar auf 49,3 % kam und Hoog auf 40,3 % steigern konnte. Damit war das Wählerpotential für alle ausgereizt. Wohin Dicks Wählerstimmen abgewandert sind, ist müßig zu fragen. Auch wenn man die um 4,4 % höhere Wahlbeteiligung einrechnet, kommt man bei Abwägung der Fakten doch zu dem Schluss, dass das Verbleiben Willi Dicks im 2.Wahlgang den Sieg Herbert Ehrbars, den die Leimener SPD zu Beginn des Wahlkampfes selbstverständlich als Bürgermeister ablehnte, erst möglich gemacht hat. Ob es Dicks eigenes Kalkül war – vordergründig die Schuldigkeit seinen Wählern gegenüber – oder ob er dazu überredet wurde, entzieht sich der Nachprüfung.

Die Entscheidung fiel jedenfalls in Leimen. Auch gegen Leimen? Nach einer praktisch möglichen Wiederwahl Otto Hoogs, der nicht mehr lange im Amt bleiben würde, hätte die SPD durchaus reale Chancen gehabt, die Karten neu zu mischen und eine spätere Bürgermeisterwahl für sich zu entscheiden. Gefangen in der Polemik gegen Hoog, schien den Sozialdemokraten sich aber kein anderer Weg aufzutun. Wie erbittert besonders der 2. Wahlgang geführt wurde, zeigt ein angeblich nicht von der SPD stammendes verleumderisches Flugblatt, für das der damalige OV-Vorsitzende Werner Kistenmacher gleichwohl die Verantwortung übernehmen musste. Nach einer Einstweiligen Verfügung durften unter Androhung eines Ordnungsgeldes die Behauptungen nicht mehr aufgestellt werden. Die nachträglichen Versuche, dennoch rechtsfähige Beweise beizubringen, führten zu nichts und hatten nur noch die Aufgabe, das Gesicht zu wahren und die Ehre vor der eigenen Partei zu retten.

Ein Blick in die damaligen Verhältnisse des Ortsvereins macht zudem einiges deutlich: Mitgliederstark (160 im Jahr 1974), weitgehend homogen, weil mehr oder weniger aus derselben sozialen Schicht und traditionell familiengebunden, freundschaftlich-gesellschaftliche langjährige Beziehungen untereinander. Solider Kassenstand, stets gut besuchte Mitgliederversammlungen und Sommerfeste (3 Tage) auf dem Waldsportplatz mit dem anerkennenswerten Einsatz der „SPD-Familien“, Winterfeiern mit Tombola und Tanzmusik. Gepflogenheiten, die  in den folgenden Jahren beibehalten wurden. Auch eine kritische und engagierte Juso-AG. Eigentlich gute Voraussetzungen für eine gedeihliche Weiterentwicklung des Ortsvereins. Aber ein Vorstand mit autoritärem Führungsstil, wie Werner Kistenmacher bei der JHV vom 11.4.1976 selbst zugibt. Bei Versammlungen werden gewohnheitsmäßige Vereinsregeln von Fall zu Fall gehandhabt, wobei übergeordnete Parteisatzungen, z.B. das Organisationsstatut der SPD, in Unkenntnis übergangen werden. Eine eigene Ortsvereinssatzung gab es nicht, dafür aber die Unsitte, eine größere Zahl von Beisitzern (1 Beisitzer auf 10 Mitglieder) ohne konkrete Aufgabe in den Vorstand zu wählen. Einmal mussten Vorstandswahlen auf Einspruch eines Genossen wiederholt werden, da gegen den Grundsatz der geheimen Wahl verstoßen worden war. Bei Gemeinderatswahlen durfte die Mitgliederversammlung über die vom Vorstand aufgestellten Kandidaten nur im Block abstimmen. Eine geheime Abstimmung über die einzelnen Listenplätze wäre einem Tabu-Bruch gleichgekommen. Mithin eine der Ursachen für die Abspaltung der SDW 1989.

Nach dem politisch aufgewühlten Jahr 1975/76 und den für die SPD eher nachteiligen Auseinandersetzungen um die Beendigung der Amtsverweserschaft Hoogs, die bis zum 31.3.1976 dauerte – CDU/Bürgerblock wollten „ihrem“ Bürgermeister einen verdienten, ehrenvollen Abgang verschaffen -, hofften die SPD-Gemeinderäte auf eine ersprießliche Zusammenarbeit mit dem neuen Bürgermeister, der ihnen einen politischen Mitgestaltungsrahmen zu öffnen schien. „Gesagt (werden) aber kann schon von dieser Stelle aus, dass die Zusammenarbeit mit Bürgermeister Ehrbar eine völlig andere und zwar im positiven Sinne ist, als die, die unter Herrn Hoog möglich war. Hier ist es gelungen – vor allem dank einer aufgeschlossenen Haltung unserer Fraktion und vor allem unseres Fraktionssprechers Willi Dick, eine starke Einflssßnahme auf die Gemeindepolitik zu erreichen.“ (So der 1. Vorsitzende Werner Kistenmacher bei der JHV vom 13. 5. 1977 im Wortlaut).

Auch der Ortsverein selber ergriff die Möglichkeiten neuer Aktivitäten. Auf Antrag von Dr. H. Neureither wurde eine Satzung ausgearbeitet, um Rechte und Pflichten der Mitglieder klar herauszustellen, sie vom Zufall persönlicher Bindungen zu befreien und so die Arbeit im Ortsverein besonders für neue Mitglieder attraktiv zu machen, den Denkhorizont mit den kommunalpolitischen Beschlüssen des Landesverbandes abzustimmen. Die unaufhaltsame Veränderung der Bevölkerungsstruktur durch die zunehmende Besiedlung neuer Bebauungsgebiete gebot eine offene und rechtlich transparente Form der Parteiarbeit. Statt der uneffektiven Beisitzer waren Ausschusssprecher vorgesehen, die analog zu den Ausschüssen des Gemeinderats klar umrissene Aufgaben hatten. Sie sollten Entscheidungshilfen anbieten, wirksames Bindeglied sein zwischen Parteivorstand und Gemeinderäten und Vorbild für persönlich zufriedenstellende und lohnenswerte Mitarbeit. Die Satzung wurde von der Mitgliederversammlung am 4. 4. 1977 einstimmig verabschiedet.

Für die praktische Parteiarbeit war es nützlich, die Öffentlichkeit durch punktuelle Aktionen auf anstehende Fragen hinzuweisen und den Gemeinderäten Argumente in die Hand zu geben. So z.B. bei der beabsichtigten Umwandlung des alten Sportplatzes am Weidweg in Baugelände. Durch eine Umfrage versuchte der Ortsverein die betroffenen Anwohner in den Entscheidungsprozess miteinzubeziehen. Von 125 befragten Personen waren 76,8 % für die Beibehaltung des Sportplatzes als Freizeit- und Erholungsstätte. Eine Bebauung hätte für die Anwohner mehr Verkehr und Lärm mit sich gebracht, von der Umweltbelastung ganz abgesehen. Nun wird natürlich nicht behauptet, dass allein die SPD-Aktion dies bis heute verhindert hat. Die Unterstützung einer Bürgerinitiative gegen die hochgeschossige Bebauung im „Hirschmorgen“ war allerdings nicht erfolgreich, weil der gültige Bebauungsplan die Planungsansprüche der Eigentümer schützte und die Verwaltung Regressforderungen befürchtete.

Der Vorsitz im Ortsverein wechselte 1978 auf Dr. Heiner Neureither über, der mit viel Engagement seine Arbeit aufnahm. Ziel war die Aktivierung der Mitglieder und die Einflussnahme der Parteibasis auf die Kommunalpolitik. Ausgehend vom Parteiengesetz von 1967, das die Parteien in ihrer Funktion für die politische Willensbildung als verfassungsrechtlich notwendigen Bestandteil der Demokratie festlegt, sind es besonders die Leitlinien für sozialdemokratische Kommunalpolitik der SPD Baden-Württemberg vom Jahr 1974, die im Grundsatz die „frühzeitige Information und Einbeziehung der Bürger bei allen kommunalen Planungen“ fordern. Diese Leitlinien aus der Hand des damaligen Landesvorsitzenden Erhard Eppler waren brandaktuell, weil sie sozialdemokratische politische Ziele erstmalig für die praktische Arbeit der Kommunen umsetzen wollten. Städte und Gemeinden als unterste staatliche Ebene sind naturgemäß der Ort, wo politische Entscheidungen für das Gemeinwesen jeden Bürger hautnah treffen und damit auch seine Kritik bzw. Mitarbeit herausfordern. Geht es doch um die viel beschworene Lebensqualität, die nicht im luftleeren Raum angesiedelt ist, sondern im höchst bodennahen einer Gemeinde. Für den Ortsverein war daher ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Mandatsträgern und Parteiorganisation die Voraussetzung für fruchtbare Arbeit. Wichtig war es also, an Informationen zu gelangen, wenn man die Parteibasis in den politischen Willensbildungsprozess einbinden wollte. Da die Informationspolitik der Gemeindeverwaltung eher berichtend und retrospektiv verfuhr, war dies dem erklärten Ziel abträglich, denn für anfallende Entscheidungen waren auch aktuelle Informationen nötig und keine bloße Dokumentation zurückliegender Beschlüsse und Ereignisse, wie sie die Gemeinde in einer gutgemeinten Schriftenreihe akribisch vorlegte, aus der man nachträglich die „Tendenzen“ der Gemeindepolitik herauslesen sollte. Interessenkollisionen waren so programmiert, so dass sich die Verwaltungsspitze veranlasst sah, in der RaRu (27. Jg, Nr.41) darzulegen, wie sie die Bürger informieren wollte.

Die theoretischen Überlegungen, welche eine grundsätzliche Richtung der Parteiarbeit anzeigen sollten, gerieten dann freilich bald auf den Prüfstand. Der kommunikative Ansatzpunkt war folgerichtig: Bürgermeister Ehrbar berichtete in einer mit Spannung geladenen Mitgliederversammlung über die Lage und Aufgaben der neuen Großgemeinde Leimen. Doch bald dominierte die Diskussion über den Fall der Firma Metallbau-Schütz, die längst in den roten Zahlen war und vom Mutterkonzern, den Oberrheinischen Aluminiumwerken, verkauft wurde – an die Gemeinde. Nicht genügend oder gar nicht informiert über die Vorgänge waren fast alle Anwesenden, die Mitarbeiter der Firma Schütz, die Vertreter von DGB und IG-Metall, ebenfalls der Ortsverein, so dass es zu heftigen, in der Sache unberechtigten Vorwürfen der Gewerkschaftsvertreter gegen die Gemeindeverwaltung kam, sie würde 45 Arbeitsplätze zugunsten eines Betriebshofs opfern. Doch weder gab es attraktive Interessenten noch hatte die ins Spiel gebrachte Kirchheimer Fensterbaufirma Roßmanith die ernsthafte Absicht, den Betrieb zu übernehmen, zudem standen baurechtliche Auflagen des Regierungspräsidiums dagegen. Das Schütz-Gelände war längst kein Industriegebiet mehr. Dass vor Zusammentritt der Versammlung bereits alles entschieden war und die hitzige Diskussion eigentlich ins Leere lief, zeigt die Grenzen und Möglichkeiten des Ortsvereins, im Spannungsfeld von sozialen Problemen, dem Arbeitsmarkt und den Interessen der Kommune eine Vermittlerrolle einzunehmen. Eine vorherige ausführliche Information von allen beteiligten Seiten hätte viel Zündstoff weggenommen.

Die Ortsvereinsausschüsse als Informationsgelenk zwischen Partei und Gemeinderäten in Aktion zu setzen, taktische Richtlinien ihrer Arbeitsweise zu formulieren war notwendig, um die Mitglieder des Ortsvereins zu motivieren. Als wichtiger Teil des Vorstands mussten sie erst in ihre Aufgaben eingeführt werden, da ihre Einrichtung neu war. Gerade die anstehende Ortskernsanierung, am 26.10.1978 vom Gemeinderat förmlich beschlossen, bot die Möglichkeit für den Bau- und Planungsausschuss, etwas zu unternehmen, die Parteibasis und die Bürger rechtzeitig zu beteiligen. Dass hier offensichtlich großer Bedarf vorhanden war, zeigte eine gut besuchte öffentliche Veranstaltung, die mehr als eine Parteiversammlung im üblichen Sinne war, wie die RNZ vom 9.11.78 schreibt. Der Architekt Ottoheinz Kothe erläuterte seine planerischen Vorstellungen, während Dr. Norbert Egger (damals SPD-Stadtrat in Weinheim, heute 1. Bürgermeister von Mannheim) die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen darlegte. Bei all den Problemen der Ortskernsanierung, wie Grundstückserwerb durch die Gemeinde, Bauträgerschaft, Reprivatisierung u.a., die der Ortsverein selbstverständlich nicht lösen konnte, hätte man sich aber zumindest Gedanken machen können, wie die bauliche Gestaltung des zukünftigen Leimen aussehen sollte. Wollte man nur sanieren oder in jedem Fall abreißen und völlig neu bauen?

Bei einer Ortsbegehung mit Bürgermeister Ehrbar wurde schon deutlich, welchen Weg die Gemeindeverwaltung zu gehen willens war. Eine Mahnung, die Anweilerschen Gebäude westlich der Klostergasse in der Hohen Gasse nicht abzureißen, weil sie ein Musterbeispiel eines fränkischen Bauernhofs waren, stieß auf taube Ohren. Die L 600 als innerörtliche Umgehung über das Graupfädel zu führen, um damit die Rathausstraße verkehrsberuhigt zu halten, ist inzwischen zu einem kostspieligen Ärgernis geworden. Und ob der neue Georgi-Marktplatz, wo es nie einen solchen gab, als „Kaufkraftmagnet“ seine Funktion erfüllt und nicht dem gut frequentierten, abseits vom Ortskern gelegenen Kurpfalz-Centrum wirtschaftlich unterlegen ist, bleibt dem Urteil des Lesers überlassen. Wie sich die Ortskernsanierung heute nach 20 Jahren darstellt, auch mit gelungenen Teilbereichen, führt dennoch zur Überlegung, dass das, was geworden ist, nicht zwangsläufig war. Ein behutsamer Umgang mit gewachsenen Baustrukturen, die ja eine ganz bestimmte historische und soziale Situation widerspiegeln, hätte zu einem anderen Ergebnis führen können, das die so notwendige Identifikation des einzelnen mit seiner Wohngemeinde, seiner Heimat, ermöglicht hätte. Neu-Leimen verhindert das, zumindest für bestimmte Generationen, die Leimen eben anders kennen.

Niemand im Ortsverein verlangte von den Gemeinderäten eine grundsätzliche Nein-Haltung, denn sich verweigern schadet letztlich der Gemeinschaft, der man dienen will; aber eine wachsamkritische Einstellung zur Verwaltung konnte man allemal erwarten statt einer korrumpierenden Selbstaufgabe. So wurde jede Kritik oder abweichende Meinung als Versuch gewertet, ihr Verhältnis zu Bürgermeister Ehrbar zu trüben. „Mer losse uns doch net von dem (Dr.Neureither) unsa guuds Verhältnis zum Ehrbao kaputtmache.“ Dieser Ausspruch von Willi Dick mag als Schlüsselwort für die weiteren Ereignisse dienen. Genosse W. Dick intrigierte gegen den 1. Vorsitzenden mit Verleumdungen, Unterstellungen und lächerlichen Nebensächlichkeiten. Seine Anhängerschaft, die er für eine Unterschriftenaktion zur Abwahl gewinnen konnte, unterstützte ihn dabei. Um sich eine Stimmenmehrheit zu sichern, ließ er kurz zuvor Frau und Tochter in die Partei eintreten. Der Misstrauensantrag wurde zwar von der Tagesordnung genommen, doch die Situation war verworren, ein Patt schien sich abzuzeichnen. Da auch ein Teil des Vorstands zurücktrat und die Meinungsverschiedenheiten die Partei zu sehr belasteten - 1979 sollten Gemeinderatswahlen stattfinden - verzichtete Dr. Neureither und machte den Weg frei für eine Vierer-Kommission (ein Interimsvorstand mit Walter Engelhorn, Edmund Müller, Dr. Peter Sandner und Ewald Schmitt) bis zur nächsten JHV im Jahre 1979, bei der Dr. Neureither in seinem Jahresrückblick sinnig feststellte, man dürfe nicht ungestraft die unreifen Früchte vom Baume pflücken.

Äußerlich ein Scheitern, das bei der damaligen Zusammensetzung der Mitglieder zu erwarten war, doch letztlich ein Wachrütteln des Ortsvereins, da die Probleme jetzt vielen bewusst wurden und die personelle Struktur sich langsam zu verändern begann. Parteimitglieder wie Dr. Peter Sandner, heute Fraktionssprecher, und Dr. Manfred Schechter, der ab Mitte der 80-er Jahre eine für den Ortsverein fruchtbare Tätigkeit als Vorsitzender entfaltete, wurden damals zur Mitarbeit gewonnen. Doch es sollte noch etwa 10 Jahre dauern, bis der Sämling in den Köpfen herangewachsen war, bis der schwelende Konflikt durch eine neue, fortschrittliche Mehrheit jüngerer Leute mit dem Ausschluss der Dick-Anhänger wegen parteischädigenden Verhaltens gelöst wurde.

Mit der Neuwahl des Vorstandes bei der JHV im Januar 1979 wurde Wolfgang Scheffel 1.Vorsitzender, der für sein Amt Erfahrungen und Wissen eines Gewerkschafters einbringen konnte, während Willi Dick und Heiner Neureither zu gleichberechtigten Stellvertretern gewählt wurden. Letzterer übernahm auch die Aufgabe, das 75-jährige Jubiläum zu organisieren. Außerdem galt es, die erstmaligen Europawahlen im Juni 1979 und die Gemeinderatswahlen für Oktober 1979 vorzubereiten und die fehlende Geschäftsordnung zu erarbeiten. Zu diesem Zweck wurden Arbeitsgruppen eingerichtet, darunter auch ein Ausschuss für Öffentlichkeitsarbeit. Die Geschlossenheit der Partei schien vorerst wiederhergestellt zu sein.

Auch an gutem Willen zur Zusammenarbeit von Vorstand und Fraktion mit dem neuen Bürgermeister mangelte es nicht, wie bei einem Empfang im Rathaus beteuert wurde. Der neue Vorsitzende betonte die konstruktive Mitarbeit bei der Lösung der Aufgaben zum Wohle der Allgemeinheit. Wichtig dabei ist, dass sich der Bürger in den Entscheidungen des Gemeinderates und den Maßnahmen der Verwaltung wiederfindet und seine Interessen gut vertreten weiß. Ideale freilich von der verantwortlichen Mitwirkung des Einzelnen am politischen, wirtschaftlich-sozialen und kulturellen Leben einer Gemeinde.

Der herausragende Höhepunkt im Jahr 1979 war zweifellos die Feier des 75-jährigen Bestehens des SPD-Ortsvereins in Leimen. Der frühere baden-württembergische Innenminister Walter Krause hielt die Festansprache. Ein Dreier-Team aus den eigenen Reihen hatte eine umfangreiche, fundierte und heute noch lesenswerte Geschichte des Ortsvereins verfasst. Die Jubiläumsfeier fand großen Anklang in Leimen und war neben der politischen Aussage auch ein gesellschaftliches Ereignis, von Liedertafel und Feuerwehrkapelle festlich umrahmt. Zahlreiche verdiente Sozialdemokraten konnten durch den Bundestagsabgeordneten Gert Weisskirchen für langjährige Mitgliedschaft geehrt werden, darunter 10 Genossen, die schon vor 1933 in die Partei eingetreten waren. Da die für Oktober 1979 festgelegten Gemeinderatswahlen – ausgenommen die Kreistagswahlen – auf das nächste Jahr verlegt werden mussten (der Baden-Württembergische Staatsgerichtshof hatte das von der CDU-Landesregierung durchgesetzte Gemeindewahlrecht wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes für verfassungswidrig erklärt), stand das Jahr 1980 unter dem Zeichen von drei Wahlen, denn neben dem Gemeinderat (22. 6.) wurden auch der Landtag (16. 3.) und der Bundestag (5. 10) gewählt, so dass die Ortsvereinsmitglieder viel Kraft und Freizeit für ihre politische Überzeugung opfern mussten.

Als äußerst vorteilhaft erwies sich dabei die vom Ausschuss für Öffentlichkeitsarbeit eingerichtete SPD-Zeitung, damals „Rathaus“ später „durchblick“ genannt. Ursprünglich sollte es bloßes Presseinstrument für Wahlkämpfe sein, wurde aber bald zu einem etablierten Sprachrohr der Partei, um über die Kommunalpolitik hinaus auch landes- und bundespolitische Themen an die Bevölkerung zu bringen, diente so der politischen Meinungs- und Willensbildung, die ja auch nach dem Parteiengesetz unverzichtbare Aufgabe ist. Weltpolitisch war die Bundesrepublik als NATO-Mitglied damals vom Verhältnis USA – UdSSR abhängig. Die Entspannungspolitik zwischen den Weltmächten scheiterte nach hoffnungsvollen Gesprächen über die Rüstungskontrolle (SALT II) mit dem Aufbau eines Netzes von Interkontinentalraketen (bereits seit 1973) und letztlich mit dem Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan (1979), so dass eine Zustimmung zu  SALT II im US-Senat aussichtslos wurde. So kam es in der NATO zu dem in der Bundesrepublik heftig diskutierten Doppelbeschluss: Stationierung bzw. Nachrüstung von Mittelstreckenraketen in den NATO-Mitgliedstaaten, auch in der Bundesrepublik ab l983 bei gleichzeitigem Verhandlungsangebot an die Sowjetunion zur Rüstungsbegrenzung. Daher schien eine Information aus erster Hand angezeigt. In einer auch von zahlreichen auswärtigen Zuhörern besuchten Veranstaltung des Ortsvereins im großen Konferenzsaal des Sportparkrestaurants erläuterte Staatsminister Klaus von Dohnanyi die Entspannungspolitik der Bundesregierung.

Im Bereich Umweltschutz und Ökologie war ein Umdenkungsprozess notwendig geworden, wollte die SPD auch vor Ort nicht noch mehr und vor allem junge Wähler an die Grünen verlieren. So unterstützte der Ortsverein eine Bürgerinitiative, bei der sich besonders Sozialdemokraten engagierten (u.a. Dr. M. Schechter, Dr. P. Sandner), gegen den von der Landesregierung schon seit längerer Zeit geplanten Trassenverlauf der B 535 bzw. B 37 Z von Schwetzingen über Leimen nach Aglasterhausen zur verkehrlichen Erschließung des Kleinen Odenwalds. Diese Fernstraße, die über den Hang durch die Grauenbrunnensenke geführt werden sollte, hätte etwa 55 ha Wald vernichtet. Auch eine kostspielige Tunnellösung war im Gespräch. Doch das Umweltbewusstsein der Leimener Bevölkerung war inzwischen so weit sensibilisiert, dass neben der ÜPI auch die CDU ihren Wählern empfahl, bei der Unterschriftenaktion mitzumachen. Zudem verstießen die behördlichen Planungen gegen die Festlegungen von Landesentwicklungsplan und Regionalplan.

Bei den Gemeinderatswahlen konnte sich die SPD um 2,5 Prozentpunkte gegenüber 1975 (9 Sitze) verbessern und über den Verhältnisausgleich mit CDU/BB gleichziehen (je 12 Sitze). Bei 2 Sitzen der ÜPI (erstmals 1975) und 3 der FWV war bei den nicht immer klar einkalkulierbaren Mehrheitsverhältnissen eine verstärkte Mitgestaltungsmöglichkeit der SPD-Gemeinderatsfraktion realistisch geworden. Sicher auch Auswirkungen des neuen Gemeindewahlrechts mit der sogenannten unechten Teilortswahl. Jedem Ortsteil steht eine bestimmte Zahl von Gemeinderäten zu: Leimen 14, St. Ilgen 9, Gauangelloch 3. (Beispiel 1980). Die 26 Gesamtstimmen können auch auf andere Ortsteile vergeben werden (daher „unechte“ Teilortswahl, weil der Bürger bei der Auswahl der Kandidaten sich nicht auf seinen Ortsteil beschränken muss), jedoch dürfen in jedem Ortsteil nur soviel Bewerber gewählt werden, wie Gemeinderatssitze vorgesehen sind. Stimmenhäufung (Kumulieren) und Übernahme aus anderen Vorschlagslisten (Panaschieren) sind davon unberührt. Dieses Wahlverfahren verhilft über den Verhältnisausgleich auch kleinen Wählergruppen zu Sitzen im Gemeinderat. Eine deutliche Berücksichtigung des Wählerwillens also, die auch zur politischen Mitarbeit in der Gemeinde anregen kann. Parteiintern lässt nun die Fraktion auf Empfehlung des Vorstands die nichtgewählten Kandidaten zu ihren Sitzungen zu, um einmal ihre Motivation umzumünzen und ihnen ähnlich wie in anderen Ortsteilgremien (Ortschaftsrat in Gauangelloch) ein Betätigungsfeld als Ersatz anzubieten. Während bei den Landtagswahlen gegenüber 1976 ein Gewinn von 1,68 % erzielt wurde (Leimen-Mitte), behauptete die SPD vor Ort mit 1,35 % Zuwachs die bundespolitische Kompetenz mit 47,35 % der Zweitstimmen (in Leimen-Gesamt 46,4 %), verglichen mit den 39,3 % der CDU.

1981 bis 1983 war der Vorsitz bei Dr. Peter Sandner. Inzwischen war die Satzung überarbeitet worden, anstelle der Fachausschüsse zog man es vor, je nach Bedarf Arbeitsausschüsse einzurichten, die den anfallenden Arbeiten flexibler begegnen konnten, was im zurückliegenden Jahr bereits erprobt worden war. Dem verbliebenen Ausschuss für Öffentlichkeitsarbeit kam dabei eine Schlüsselrolle zu. Außerdem wurde die Geschäftsstelle nach dem Tod von Margret Schuppel neu belebt mit Ewald Schmitt, der auch für die Mitglieder des Ortsvereins die soziale Betreuung übernahm – später von Helene Weber weitergeführt. Diese Kontaktpflege ist wichtig, denn die Bindung an eine Sache allein genügt nicht, wenn der menschlich-emotionale Hintergrund nicht stimmt. Ein Neubürger-Brief sollte neue Mitglieder einbringen. Der Bindung der Mitglieder untereinander diente auch das immer wieder mit großem Einsatz der Helfer veranstaltete 3-tägige Sommerfest, das auch die von den Wahlkämpfen des Vorjahres ziemlich geleerte Vereinskasse wieder auffüllen sollte, denn das letztjährige Sommerfest war wegen schlechten Wetters abgesagt worden. Um die politische Arbeit im Ortsverein zu straffen, wurden monatliche Mitgliederversammlungen festgelegt zur steten Präsenz der Partei in der Öffentlichkeit. Die kommunalpolitischen Dauerbrenner wie Jugendzentrum, Ortskernsanierung (erste Überlegungen reichen bis in die 60 er Jahre zurück) Neutrassierung der L 600 als innerörtliche Umgehung über Graupfädel und Obere Straße beschäftigten wiederholt die Mitgliederversammlungen. 1981, im Jahr der Stadterhebung Leimens, verließ der langjährige Fraktionssprecher Willi Dick den Gemeinderat und wurde Leiter der Stadtwerke - zur Enttäuschung seiner Wähler. 1993 schied er als Technischer Bürgermeister aus dem Amt. Der „Ehrenbürger“ folgte auf dem Fuß. Wenn es auch nicht ungewöhnlich ist, dass ein Mandatsträger in die Verwaltung wechselt, so wundert sich manch einer doch und ist geneigt, nach dem Zusammenhang mit der Bürgermeisterwahl von 1975 zu fragen.

Darüber hinaus gab es eine Reihe von Veranstaltungen, Informations- und Gesprächsangebote für die Bevölkerung. Galt es doch, aktuelle soziale, wirtschaftliche und politische Probleme der Bundesrepublik kritisch zu beleuchten, die Hand am Puls der Zeit sozusagen. Das neue Scheidungsrecht interessierte dabei genauso wie die Diskussion mit der damaligen Europa-Abgeordneten Beate Weber, die als Vorsitzende des Ausschusses „Umwelt, Gesundheit und Verbraucher“ über ihre Arbeit berichtete. Umweltschutz und Arbeitsplätze, ein scheinbarer Widerspruch, doch äußerst realistisch im Hinblick auf Asbest und seine gesundheitsschädliche Auswirkung. Die Problematik wurde unter großer Teilnahme von „Eternit“-Mitarbeitern kontrovers, aber sachlich diskutiert. Ein Bericht der Landtagsabgeordneten Brigitte Adler informierte über den Münchner Bundesparteitag 1982 mit den brennenden Fragen über Sicherheitspolitik, Energiepolitik und Sozial- und Wirtschaftspolitik. Doch wie man die Parteitagsbeschlüsse innerhalb der Regierungskoalition verwirklichen wollte, war Thema einer Mitgliederversammlung mit Gert Weisskirchen.

Einen schweren Rückschlag der sozialdemokratischen Politik bedeutete der sich schon lange abzeichnende Bruch der sozialliberalen Koalition mit dem konstruktiven Misstrauenanstrag der Opposition gegen Helmut Schmitt im Oktober 1982, wobei die SPD-Linke nicht unschuldig war. Da die Ursachen des Zerwürfnisses der Regierungsparteien SPD/FDP in der Sozial- und Wirtschaftspolitik lagen, war zur Aufarbeitung des deprimierenden Ereignisses eine Veranstaltung mit dem Gewerkschafter Gerhard Zambelli (IG-Metall) angezeigt über „Marktwirtschaft und Neokonservatismus“ besonders im Hinblick auf die sich stetig vergrößernde und den sozialen Frieden gefährdende Zahl der Arbeitslosen. Eine Vertiefung erfuhr dieses Problem im Wahlkampf für die Neuwahlen zum Bundestag im März 1983 durch eine Veranstaltung mit dem bei den Leimener Sozialdemokraten gut bekannten früheren Finanzminister Alex Möller. Haushaltspolitik und Sozialstaat und der damit einhergehende Abbau von Sozialleistungen. Wieweit würde die Bevölkerung Einschnitte im sozialen Netz hinnehmen oder sie sogar gutheißen? „Es wird wieder in die Hände gespuckt, wir steigern das Bruttosozialprodukt“, ein beliebter Faschingsschlager, an den sich der Leser heute im Jahre 2004 noch erinnern wird! Der Wähler hat bei den Bundestagswahlen freilich der Sozialdemokratie eine Abfuhr erteilt, auch in Leimen-Mitte, wo die CDU mit 43,5 % (1980 waren es 39,3 %) der Zweitstimmen eine deutliche Mehrheit errang gegenüber der SPD mit 40,4 % (47,4 % 1980).

Doch aus der Niederlage wuchs neue Kraft und weckte, ausgehend von einer Juso-Initiative im Ortsverein, den Widerstand gegen die im Rahmen des NATO-Doppelbeschlusses drohende Aufstellung von nuklearen Mittelstreckenraketen (Pershing 2 und Cruise Missiles) – letztlich vom Bundestag am 22. 11. 1983 beschlossen - auf dem Boden der Bundesrepublik, die im Kriegsfalle das Hauptrisiko tragen würde. Die Nachrüstungspolitik der Regierung Schmidt war in seiner eigenen Partei umstritten. Zu diesem Thema wurde Friederike Berking von der sozialdemokratischen AG „Frieden“ eingeladen .Nach einer lebhaften Diskussion beschloss die Mitgliederversammlung mehrheitlich einen Antrag an den Sonderparteitag der SPD: „Die Partei wird aufgefordert, die Stationierung neuer Massenvernichtungsmittel auf dem Gebiet der Bundesrepublik abzulehnen und sich für eine weltweite kontrollierte Abrüstung einzusetzen.“ (MV v. 1.6.1983). Die Veröffentlichung eines Berichts von M. Schechter über diese Veranstaltung in der Rathausrundschau wurde von Bürgermeister Ehrbar abgelehnt mit der Begründung, er enthalte ausschließlich bundespolitische Themen und sei nach der Geschäftsordnung des Redaktionsausschusses zurückzuweisen, die nur ortsspezifische Beiträge zulasse. Die formaljuristische, fadenscheinige Begründung erwies sich letztlich durch die Veröffentlichung des Berichts in der RNZ als unsinnig.

Das Jahr 1984 erforderte wiederum einen erhöhten Wahlkampf-Einsatz, fanden doch, verteilt über das Jahr, Europa- und Landtagswahlen, Bürgermeister- und Gemeinderatswahl statt. Für den Ortsverein gab es bei der Jahreshauptversammlung einen Vorstandswechsel. Vorsitzender wurde Dr. Hans-Werner Hoffmann, während sein Vorgänger die wichtige Aufgabe der Öffentlichkeitsarbeit übernahm. Zur Bürgermeisterwahl am 11. 3. 1984 hatte sich auf Antrag des Fraktionssprechers Werner Kistenmacher eine gemeinsame Mitgliederversammlung der beiden Ortsvereine Leimen und St. Ilgen bereits im Oktober 1983 festgelegt, „aufgrund der für die gesamte Bürgerschaft der Stadt Leimen nützlichen und erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen Bürgermeister Herbert Ehrbar und dem Gemeinderat und seinen Ausschüssen in den vergangenen Jahren“ seine erneute Kandidatur zu unterstützen und auf einen eigenen Kandidaten zu verzichten. (Anzeige in RaRu, Stadt-Nachrichten, Nr. 10, 1984). Das Wahlergebnis zeigt daher auch eine 91,5 prozentige  Zustimmung für Ehrbar.

Die Kommunalwahlen vom 18.10.1984 waren für die SPD allerdings weniger günstig. Da konnte auch die in die Wahlkampfzeit gelegte Feier des 80. Jubiläums des Ortsvereins mit Alex Möller als Festredner nichts ändern. Mit 3,7 % Minus hatte man den Verlust eines Sitzes zu beklagen, das Ergebnis war jedoch keineswegs auf eine schlechte Arbeit der SPD-Fraktion zurückzuführen und lag sogar noch unter der durchschnittlichen Einbuße des gesamten Rhein-Neckar-Kreises (-4,08 %). Da CDU und SPD mit je 11 Sitzen gleichstanden, kam es auf die Freien Wähler an (4 Sitze), die sich auch aus den Stimmen der nicht mehr angetretenen ÜPI rekrutierten-, und auf die erstkandidierenden Grünen (2 Sitze). Mehrheitsentscheidungen wurden in Zukunft schwieriger. In der Analyse der Wahlergebnisse durch den 1. Vorsitzenden wurden bundespolitische Themen, aber auch die unbefriedigende Darstellung der Gemeinderatsarbeit in der Presse und das Desinteresse der Bürger an der Kommunalpolitik, vielleicht auch das Fehlen einer aggressiven Arbeit der Fraktion im Gemeinderat für das schlechte Abschneiden der SPD verantwortlich gemacht. Das komplizierte Kommunalwahlrecht (unechte Teilortswahl) tat sicher ein übriges dazu.

Für die Zukunft brauchbare Ergebnisse hatte die Forderung nach einer Fraktionsspalte in der RaRu, die Öffnung der Fraktionssitzungen für Parteimitglieder und die bisher abgelehnte Besetzung der Stadtteilbeiräte, wie in St. Ilgen schon längere Zeit üblich. Natürlich um den nichtgewählten Gemeinderatskandidaten ein politisches Betätigungsfeld zu schaffen (Vorstandssitzung vom 16.1.1985). Da die Beiräte von der Bevölkerung nicht gewählt, sondern vom Gemeinderat im Verhältnis zur jeweiligen Fraktionsstärke ernannt werden, fehlt ihnen die demokratische Legitimation. Welche Rolle sie wirklich haben und wie sie ihre Aufgaben erfüllen würden, wollte man in den nächsten Jahren beobachten. Die richtungweisenden Arbeitsvorschläge für das Jahr 1985 fordern zu Recht die Rückgewinnung SPD-spezifischer  Politikfelder wie Sozialversicherung, Beschäftigungspolitik, Wirtschaft, Kommunen. Auf jeden Fall ein offensives Anpacken der politischen Arbeit im Ortsverein, um seine Attraktivität in der Bevölkerung zu erhöhen. Die Zukunft sollte zeigen, welche sich wandelnden oder auch gleichbleibenden Politikinhalte in welcher Form angegangen werden konnten.


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