Was ist ein Bürgerhaushalt?
Ein Bürgerhaushalt (auch Beteiligungshaushalt oder Bürgerbudget) ist ein strukturiertes Beteiligungsverfahren
rund um den kommunalen Haushalt (buergergesellschaft.de). Bürgerinnen und Bürger können eigene Ideen einbringen,
wie Teile eines festgelegten Budgets ausgegeben werden sollen. Anders als bei einfachen Bürgerumfragen oder
kurzen Anhörungen steht hier der Dialog über konkrete Ausgaben im Mittelpunkt. Die Kommune legt dabei einen
festen Betrag fest (z.B. 20.000 € jährlich) und ermöglicht der Bürgerschaft, Projekte bis zu dieser
Höhe vorzuschlagen. Im Zentrum steht die Diskussion um knappe öffentliche Mittel; die Beteiligung
erstreckt sich über mehrere Phasen:
- Ideensammlung: Bürgerinnen und Bürger können ihre Vorschläge für die Nutzung
des Bürgerhaushaltes einreichen. Beispielsweise über eine Online-Plattform, ein Kontaktformular,
per Mail oder analog.
- Prüfung: Die Vorschläge werden auf formale – zuvor aufzustellende – Kriterien geprüft.
Dazu gehört die finanzielle Machbarkeit im Rahmen des Bürgerhaushaltes. Weiterhin können Regeln
für die vorgeschlagenen Maßnahmen festgelegt werden, zum Beispiel, dass die Maßnahmen allen
Bürgerinnen und Bürgern offenstehen müssen (das heißt beispielsweise, Bänke an öffentlichen
Plätzen oder Verbesserungen von Spielplätzen sind möglich, neue Sportgeräte für einen Verein nicht).
- Priorisierung: In einer öffentlichen Abstimmung können alle Bürgerinnen und Bürger über die
eingereichten und geprüften Vorschläge abstimmen.
- Beschluss: Am Ende muss der Gemeinderat formell über die ausgewählten Maßnahmen beschließen –
er verspricht den Bürgerinnen und Bürgern sich an das Ergebnis der öffentlichen Abstimmung zu halten
und entsprechend abzustimmen.
Warum stärkt ein Bürgerhaushalt die Demokratie?
Bürgerhaushalte binden Bürgerinnen und Bürger in Finanzentscheidungen ihrer Stadt ein und
erhöhen so Transparenz und Identifikation. Studien zeigen, dass Teilnehmende an Bürgerhaushalten
Demokratieprozesse besser verstehen und stärkere Einflussmöglichkeiten empfinden (bpb.de).
Sie berichten mehr Vertrauen in die Politik und fühlen sich in ihrer Rolle als Mitgestaltende bestätigt.
Langfristig steigert ein Bürgerhaushalt nachweislich die Zufriedenheit mit kommunalen Entscheidungsprozessen
und auch die Wahlbeteiligung. Er ist damit ein sinnvolles Instrument, um repräsentative Demokratie
vor Ort zu beleben: Bürgerinnen und Bürger sehen, wie Vorschläge geprüft und umgesetzt werden,
was das politische Engagement fördert und Vertrauen in die Stadtpolitik schafft.
Finanzielle und organisatorische Auswirkungen:
Für die Kommune entsteht ein neuer Haushaltsposten in der geplanten Höhe, der für die Umsetzung
der Bürgerprojekte reserviert wird. Im Verhältnis zum Gesamtetat ist dies aber meist ein geringer Betrag.
Wir könnten uns gut vorstellen, zunächst mit einem Betrag zwischen 20.000 € und 50.000 € zu beginnen –
dieser könnte nach Erfahrung in späteren Jahren angepasst werden. Hinzu kommen einmalige und laufende
Kosten für die Organisation: Beispielsweise investierte die Stadt Geislingen a.d.S. (27.000 EW)
für den ersten Bürgerhaushalt 2012 etwa 6.000 € in eine Online-Beteiligungsplattform (www2.kornwestheim.de) –
hier können wir uns jedoch vorstellen, dass das einfacher möglich ist. Daneben fallen Personalkosten
für Planung, Moderation und Öffentlichkeitsarbeit an. Um auch Personen ohne Zugang zur Online-Plattform
zu beteiligen, kann man zusätzlich analoge Wege wählen (Bürgerversammlungen, Infobroschüren oder Aushänge),
was zwar höhere Kommunikationkosten bedeutet, aber mehr Bürgerinnen und Bürger erreicht.
Insgesamt lohnt sich der Aufwand: Die eingeplanten Mittel werden direkt für Projekte eingesetzt,
die der Allgemeinheit nutzen, und die Bürger erfahren hautnah den Umgang mit kommunalem Geld.
Der Prozess erfordert sorgfältige Planung und Transparenz, stärkt aber zugleich die Legitimität
der Entscheidungen und das Vertrauen der Bevölkerung in ihre gewählten Vertreterinnen und Vertreter.
Beispiele aus anderen Kommunen:
In Baden-Württemberg und bundesweit gibt es bereits mehrere Bürgerhaushalte bzw. Bürgerbudgets,
teils mit ähnlicher Größenordnung. Hier einige Beispiele:
- Stadt Lahr (BW, ~49.000 EW): Seit 2019 führt Lahr das Bürgerbudget „Stadtgulden Lahr“
durch (netzwerk-demokratie-und-beteiligung.de). Jährlich stehen 100.000 € bereit (max. 10.000 € pro Projekt).
Bürgerinnen und Bürger reichen bis zum Sommer Ideen ein, die Verwaltung prüft sie und stellt sie auf einem
öffentlichen „Entscheidungstag“ vor. Bei der jüngsten Runde (2022/23) wurden 51 Vorschläge eingereicht,
daraus wählte man 11 Projekte (jeweils bis zu 10.000 €), die im Folgejahr umgesetzt werden.
Insgesamt beteiligten sich 1.267 Personen an der Abstimmung (536 vor Ort, 731 online) (lahr.de).
Jeder anwesende oder online stimmberechtigte Bürger konnte bis zu fünf „Stadtgulden“-Punkte verteilen.
Die Aktion ist fest im Haushalt verankert und wird jährlich wiederholt.
- Stadt Radolfzell (BW, ~31.000 EW): Ende 2024 beschloss der Gemeinderat erstmals ein
Bürgerbudget für 2025 (wochenblatt.net). Es sind 65.000 € eingeplant, Förderhöchstbetrag 8.000 €
pro Projekt. Einwohnerinnen und Einwohner ab 16 Jahren können Ideen einreichen; wählen dürfen alle
ab 11. Die Bürgerinnen und Bürger stellten ihre Vorschläge öffentlich z.B. auf Märkten vor,
zwischen dem 9. und 15. Juli 2025 wird abgestimmt (online und analog vor Ort). Oberbürgermeister
und Demokratie-Beauftragte betonen, dass möglichst wenig Bürokratie entstehen soll:
Eine Begleitkoordinatorin prüft rasch die Machbarkeit, den Rest übernehmen die Bürger selbst.
- Stadt Eislingen/Fils (BW, ~20.000 EW): Eislingen fördert bürgerschaftliches Engagement
mit 5.000 € pro Jahr (nussbaum.de). Jeder, der mindestens 12 Jahre alt ist, kann ganzjährig
Vorschläge einreichen. Das Budget dient zur Realisierung kreativer, lokaler Projekte („soziale,
kulturelle, sportliche oder klimaschutzbezogene Ideen“). Die Stadtverwaltung unterstützt bei Antragstellung;
Vorschläge werden anschließend im Gemeinderat präsentiert. Ziel ist es ausdrücklich, „ideelle Projekte
und bürgerschaftliches Engagement“ umzusetzen. Förderentscheidungen (zum Beispiel nach Ende Juli 2024)
treffen Ratsgremien auf Grundlage der Richtlinien und der Präsentationen der Antragsteller.
- Stadt Konstanz (BW, ~90.000 EW): Konstanz hat seit 2019 ein Bürgerbudget, um Bürgerinnen und
Bürger mit 100.000 € jährlich auf Projekte Einfluss nehmen zu lassen (konstanz.de). Pro Antrag können
maximal 15.000 € bewilligt werden. In vier Jahren wurden so 38 Projekte finanziert
(von Nachbarschaftsgärten bis Achtsamkeitskursen). Die Auswahl erfolgt über einen jährlich
neu zusammengesetzten Bürger*innenrat (20 zufällig ausgewählte Einwohnerinnen und Einwohner),
der die Förderempfehlungen dem Gemeinderat übergibt. 2023 ging das Konstanzer Bürgerbudget in die 5. Runde.
Diese Beispiele aus anderen Kommunen zeigen, dass ein Bürgerhaushalt ein erprobter Weg ist,
die Demokratie vor Ort zu stärken und auch ein guter Weg für Leimen wäre.