Haushaltsplan 2010
Stellungnahme der SPD-Fraktion
Karl-Heinz Wagner
Herr Oberbürgermeister, Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren! „Oberste Priorität hat ein ausgeglichener Haushalt“ – so eine Kernaussage von Ivo Gönner, OB von Ulm und Präsident des Städtetages Baden-Württemberg anlässlich des Neujahrsempfangs der Stadt Leimen letzten Sonntag. Wie sieht die Realität aus ? Allein aufgrund der Rezession erwartet der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Stephan Articus, das Anwachsen der Kluft zwischen Einnahmen und Ausgaben der Kommunen auf mehr als elf Milliarden Euro – natürlich negativ. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz – für mich: „Klientel-Begünstigungsbeschleunigungsgesetz“, das Ende letzten Jahres von Schwarz-Gelb – neu „Christlich-Liberal“ - in Kraft gesetzt wurde, reduziert die Steuereinnahmen der Kommunen um weitere 1,6 Milliarden Euro. So werden die Bürger die Senkung der Einkommensteuer und das zusätzliche Kindergeld an anderer Stelle selbst finanzieren, durch zusätzliche Steuern, höhere Beiträge und Gebühren. Die Durchsetzung weiterer Steuersenkungen in einer Größenordnung von 24 Milliarden Euro klingt vor diesem Hintergrund abenteuerlich. Wirtschaftliches Wachstum sollen sie bringen, aber während sich die Steuerausfälle sofort in der Gemeindekasse bemerkbar machen, kommt Wachstum über höhere Gewerbesteuer und einen höheren Anteil an der Einkommensteuer mit erheblicher Verzögerung bei den Kommunen an. Erhard Eppler, Urgestein der SPD, war am Dienstag Gastredner in Walldorf. Er befürchtet ein Aushungern des Staates durch Steuerermäßigungen und –Geschenke nach dem Motto: Je weniger Steuern desto besser für die Wirtschaft. Dass allein der Staat den Zusammenbruch der Finanzwirtschaft verhindern konnte, wird von den Marktradikalen ausgeblendet. Nur reiche Menschen können sich einen armen Staat leisten. Und was für den Staat gilt, gilt auch für die Kommunen: Sie brauchen verlässliche Einnahmequellen, zu denen auch die von den Neoliberalen so bekämpfte Gewerbesteuer gehört, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Und während bei uns die Politiker von mehr Wachstum träumen, bahnt sich in den USA die zweite Immobilienkrise an. Bis 2017 müssen 700 Mrd. Dollar Kredite für Gewerbeimmobilien umgeschuldet werden, bei um bis zu 50 % gesunkenen Immobilienwerten – auch deutsche Banken, insbesondere HRE und Landesbanken sind mit im Boot – und mit Verbriefungen, Verschachtelungen und ähnlichen Tricks wird es diesmal wohl nicht klappen. Was bedeutet das für uns in Leimen: 2010 werden wir – wenn nicht noch dramatische Veränderungen auftreten – noch einmal mit einem „Blauen Auge und ein paar Schrammen“ davonkommen. Ganz düster drohen jedoch die kommenden Jahre zu werden, wenn die Zuweisungen und Zuschüsse deutlich niedriger ausfallen und nicht an anderer Stelle ersetzt werden können. – Die Summen von Steuern, allg. Zuweisungen und Umlagen sind wie folgt eingeplant:
Freiherr vom Stein hat vor 200 Jahren die Selbstverwaltung der Kommunen durchgesetzt. Seitdem haben Städte und Gemeinden ein eigenes Budget. Mit der Kürzung von Steuern und der Übertragung immer neuer Aufgaben droht diese Selbständigkeit nicht durch kaiserliche Truppen, sondern rein fiskalisch zu Ende zu gehen. Im Sinne der Priorität, wie eingangs erwähnt, wäre bei dieser Sachlage die Bildung neuer Rücklagen, allein ist dies mit dem Haushalt 2010 nicht zu machen. Deshalb hat die Haushaltsstrukturkommission, die regelmäßig monatlich die Finanzentwicklung beobachtet und rechtzeitig Weichen stellen kann, viel Arbeit vor sich. Packen wir es an. Wenn heute alles nach Plan verläuft und der Gemeinderat den Haushalt 2010 verabschiedet – die SPD-Fraktion wird dieses Vorhaben unterstützen – erfüllen wir erstmalig nach mehreren Jahren nicht wie geplant den gesetzlichen Auftrag, das Rechenwerk noch vor Beginn des Haushaltsjahres verbindlich festzulegen, die Verzögerung war jedoch aus Sicht des Gemeinderates unumgänglich, denn zuvor mussten wir uns über die Finanzierung des Bäderparks Klarheit verschaffen. Hier liegt bereits die erste fette Kröte, die wir – und ich gebe zu mit Widerwillen – schlucken sollen. Der Fehlbedarf beim Schwimmbad – Hallen- und Freibad – betrug in 2009 € 1,5 Millionen, wird auch im Jahr 2010 in dieser Höhe anfallen, in den Haushalt sind jedoch nur eine Einlage von 952.000 €, Zuschüsse von 34.500,00 € und innere Verrechnungen von 29.000,00 € eingestellt. Es mag haushaltsrechtlich zulässig sein, Abschreibungen auszuklammern, das ändert nichts daran, dass sich die Anlagen tatsächlich abnutzen. Bedenklicher aber ist, schon von vornherein einen Verlustvortrag einzuplanen, ohne dass erkennbar wird, wann und wie dieser abgebaut werden soll. Allein mit dem laut Eröffnungsbilanz vorhandenen Eigenkapital lässt sich auf Dauer kein Verlust ausgleichen. Vielleicht vertraut die Verwaltung auch auf eine alte Bauernregel, nach der auf einen kalten und schneereichen Januar ein heißer Sommer folgen soll, hoffen wir also auf steigende Einnahmen unseres jetzt attraktiven Freibades. Die Zuführung zum Vermögenshaushalt gilt allgemein als Maßstab für die Finanzkraft einer Stadt. Im Haushaltsplan liest sie sich in Höhe von 1,1 Mio recht gut, hat aber einen Haken: Im Haushalt 2009 waren die Betriebskosten Bäderpark mit netto 983.600 € im Verwaltungshaushalt ausgewiesen, im Haushalt 2010 machen sie im Verwaltungshaushalt nur noch 64.000,00 aus, dafür steht im Vermögenshaushalt die bereits genannte Einlage von 952.000,00 €. Die Zuführung beruht also in Leimen fast ausschließlich auf dieser Umschichtung. Daneben gibt es die große Unbekannte Gewerbesteuer. Der jetzige Entwurf sieht mit 7,0 Mio Euro schon weniger als der Ansatz 2009 mit 8,8 Mio vor, so dass ich meine Forderung der letzten Jahre nur wiederholen kann: Eine nachhaltige Erhöhung des Gewerbesteueraufkommens durch mehr Betriebe, nicht eine Steuererhöhung muss Aufgabe der Stadtverwaltung sein. Das Argument, man soll sie nicht überbewerten, aufgrund der Umlage bleiben nur 15 % bei uns, kann ich immer noch nicht nachvollziehen. Gelder, die der Kreis über die Gewerbesteuerumlage einnimmt, kann er bei anderen Umlagen wieder einsparen, was ja auch den Kommunen zugute kommt. Ein Satz noch zur Forderung der „Linken“ nach einer Anhebung: Es mag sein, dass bereits ansässige Betriebe die Erhöhung zähneknirschend schlucken würden, für die Bemühungen um Neuansiedlungen wäre sie Gift. Wünschenswert – wie bereits ausgeführt – wäre eine Stärkung der Rücklagen, wir entnehmen 847.000,00 €, denn nur so können wir unsere Investitionen n Straßen, Gebäude etc. finanzieren. Eine Kreditaufnahme ist im Haushalt nicht vorgesehen, hier haben wir 2009 mit neuen Kreditermächtigungen bis zum Gesamtbetrag von 7,6 Mio € vorgesorgt. Insgesamt liegt uns ein Haushalt vor, der sicher dem Gesetz entspricht, aber auch keine Polster für Unvorhergesehenes lässt. Die Baumaßnahmen – in erster Linie Straßen- und Gebäudesanierung, daneben der leider unumgängliche Lärmschutzwall - dienen fast ausschließlich der Erhaltung oder Erneuerung. Was bieten wir dem Bürger für seine Steuer-Euros, die er uns direkt über Gemeindesteuern oder indirekt über Einkommensteuer und Zuweisungen anvertraut ? Kinderbetreuung und Bildung, Jugendförderung Die dicksten Brocken sind Kinderbetreuung und Bildung. Investitionen in die Ausbildung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen sind Zukunftsinvestitionen, sie dürfen daher nicht nur unter Kostenaspekten betrachtet werden. Eine Gesellschaft, die sich auch im Zeichen der Globalisierung eine soziale Kompetenz bewahren will, ist auf gut ausgebildete, motivierte und selbstbewusste junge Menschen angewiesen. Zwar werden auch in diesen Bereichen Gebühren erhoben, diese können jedoch niemals kostendeckend sein. Für die Betreuung von U-3 und Ü-3 werden im Verwaltungshaushalt Nettoausgaben von 2,9 Mio. € bereitgestellt. Unsere Fraktion setzt sich für die U-3-Betreuung ein, wobei wir mit Interesse die Äußerungen der kommunalen Spitzenverbände zur Kenntnis nehmen, die angesichts der weg brechenden Gewerbesteuern die Verwirklichung der verpflichtenden U-3-Betreuung mehrfach in Frage gestellt haben. Dies soll uns nicht daran hindern, im Rahmen unserer Möglichkeiten eine Betreuung der Kinder bis zum dritten Lebensjahr anzubieten. Und ich greife gerne die Anmerkungen von Ivo Gönner beim Neujahrsempfang auf: Wie kann es sein, dass ab 2013 alle Eltern einen Anspruch auf U-3-Betreuung erhalten, aber nur für 35 % der Kinder in diesem Alter ein Platz vorgehalten wird ? Rechnet man mit 65 % Desinteresse oder mangelnder Information ? Im Kindergartenbereich stehen langfristig die Verbesserung des Personalschlüssels, Verkleinerung der Gruppen und die Sprachförderung mit dem Ziel an, dass alle Kinder mit Beginn des Schulalters ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache erworben haben. Eine moderate Gebührenerhöhung auf € 76,00 für das erste Kind, € 54,00 für das zweite Kind haben wir akzeptiert. Es bleibt dennoch bei unserem langfristigen Ziel eines verpflichtenden und dann kostenfreien letzten Kiga-Jahres. Mein Vorschlag zum Haushalt 2009, Deckungsreserven zu bilden, die dann ein gebührenfreies letztes Kiga-Jahr ermöglichen, bleibt bestehen, auch wenn die Verwirklichung bis zur nächsten GR-Wahl zweifelhaft ist. Im Schulwesen hält unsere Fraktion an dem Ziel fest, jedenfalls eine der beiden örtlichen Grund- und Hauptschulen als echte Ganztagesschule, also mit Mittagstisch und pädagogischem Angebot am Nachmittag – nicht nur Verwahrung durch Ehrenamtliche - auszubauen und die Mittel bereit zu stellen. Die GHS und künftige Werkrealschule St.Ilgen hätte keine Probleme, als Brennpunktschule in das Förderprogramm des Bundes aufgenommen zu werden. Unsere Fraktion setzt sich für die zeitnahe Realisierung dieses Vorhabens ein und ist auch bereit, die finanziellen Mittel hierfür in den Haushalt einzustellen. Wir setzen hier auf die neue Rektorin und bitten die Stadtverwaltung, das Gespräch mit der neuen Schulleitung intensiv fortzusetzen. Wir unterstützen die Musikschule mit jährlich € 150.000,00, damit hatte die uferlose Bezuschussung aus der Vergangenheit ein Ende. Es gab für den Gemeinderat nur zwei Alternativen: Fortsetzung mit neuem Konzept und verlässlicher Finanzplanung oder Schließung. Die große Mehrheit hat sich für die Fortsetzung entschieden. Die Lehrer haben beachtliche Opfer gebracht, Eltern engagieren sich verstärkt. Leider verdichten sich die Anzeichen, dass die Musikschule auf Dauer nicht mit diesem Zuschuss auskommt, trotzdem sollten vorerst keine weiteren Mittel in den Haushalt eingestellt werden. Die Basket-Projekte haben sich bewährt. Die örtlichen Vereine bieten Jugendlichen sinnvolle Freizeitaktivitäten und werden hierfür von der Stadt auch mit unserer Zustimmung unterstützt. Sie erreichen nicht alle Jugendlichen, die dann in den Basket-Projekten eine Stätte haben, wo sie sich sinnvoll beschäftigen können. – Zuschuss ca. 300.000 €. Wichtig ist uns auch das Projekt Übergang Schule – Berufsausbildung. Wir begrüßen die Verlängerung und Ausweitung der Tätigkeiten von Herrn Alexander Kiss und Frau Tatjana Wagner, die sich junger Menschen mit und ohne Migrationshintergrund annehmen und sie auf dem Einstieg in eine geeignete Ausbildung nach dem Schulabschluss begleiten. ÖPNV Im Haushalt sind für den Nahverkehr in Höhe von € 640.000,00 und für das Ruftaxi € 40.000,00 veranschlagt, jeweils netto, das heißt nach Verrechnung d er jeweiligen Zuschüsse. Die von uns geforderte Verlängerung des 10-min-Taktes der Straßenbahn an Werktagen bis 21 Uhr ist realisiert. Mit der neuen Buslinie Gauangelloch – Railsheim - Wiesenbach – Bammental – Gaiberg – Gauangelloch mit direktem Anschluss an die neue S-Bahn konnten wir das ÖPNV-Angebot für unsere Mitbürger maßgeblich verbessern. Investitionen
Die Weichen für Investitionen in unser marodes Straßennetz wurden bereits im letzten Jahr gestellt. Es werden bereit gestellt und durch Kreditaufnahmen finanziert:
Wilhelm-Haug-Straße:
Die Öffnung der Bürgerm.-Lingg-Str. mit dem nach dem verbindlichen Bebauungsplan vorgeschriebenen Lärmschutz muss unser Ziel für 2010 sein. Mittel von 1 Mio. € mit Zuschüssen von 750.000 € sind bereits im Haushalt 2009 vorgesehen und werden in das neue Haushaltsjahr übertragen. Der Gemeinderat hat sich mehrheitlich für die einzige akzeptable Variante in Glas entschieden. Eigenbetriebe Beim Wasserwerk ist ein Gewinn von 245.000 € eingeplant, der dringend zum Abbau von Verlusten verwendet werden soll. Der Wasserpreis steigt auf 2,20 €/m³ und ermöglicht einen moderaten Verlustausgleich. Die Gebühren beim Abwasser erhöhen sich auf 2,05 €/m³. Hier ist eine schwarze Null zu verzeichnen Der Gemeinderat hat hier ein Ermessen bei Abschreibungen und bei der Frage des Ausgleichs von Unterdeckungen. Unsere Fraktion folgt den Vorschlägen der Verwaltung, die auf der Grundlage der früheren Berechnungen von Heyder und Partner die Gebühren neu kalkuliert haben. Die Technischen Betriebe verzeichnen einen Verlust von 75.000,00 €, was jedenfalls zum teil auf den langen Winter 2009 zurückzuführen ist. Anhand der Personalkosten ist festzustellen, dass es kaum Veränderungen gegeben hat. Forstwirtschaft Die Euphorie der letzten Jahre mit gestiegener Nachfrage nach Brennholz und Pellets ist einer gewissen Ernüchterung gewichen, die sich auch in den Zahlen widerspiegelt. Sieht man den Wald nicht nur als Wirtschaftsobjekt, sondern seine ökologische Bedeutung und als Stätte der Naherholung, müssen wir uns die Erhaltung eines gesunden Waldes etwas kosten lassen. Personalkosten An dieser Stelle ist der Verwaltung Anerkennung auszusprechen, die Personalkosten auf ein vertretbares Niveau reduziert und hier stabilisiert zu haben. Einige in der Vergangenheit überfällig gewesene Beförderungen sind vollzogen. Trotzdem blieben die Kosten insgesamt im Rahmen: Gegenüber dem Haushalt 2008 mit 9,14 Mio und 2009 mit 9,44 Mio. ergeben sich jetzt für 2010 € 9,63 Mio. Schlussbemerkungen Die Fraktion der SPD stimmt dem Haushalt zu. Abschließend spreche ich den Mitarbeitern der Kämmerei und den Eigenbetrieben Dank und Anerkennung für die geleistete Arbeit bei der Aufstellung des Haushaltes aus. Mehr als 270 Seiten eng gedruckte Zahlen, nach jeder Sitzung des Gemeinderates waren wieder Änderungen einzuarbeiten, das Ganze auch übersichtlich darzustellen war ein gewaltiges Stück Arbeit. |