Untersuchungshaftanstalt in St. Ilgen?

Wolfgang Krauth


Eine solche Einrichtung stößt bei der Bevölkerung regelmäßig auf wenig Gegenliebe, ist jedoch im Hinblick auf eine intakte öffentliche Sicherheit unverzichtbar.

Im Flächennutzungsplan (FNP) des Nachbarschaftsverbandes Heidelberg-Mannheim vom 25.02.1983 ist im Bereich des Gebiets „Mühlweg III“ in Leimen-St. Ilgen ein Standort für eine vom Land Baden-Württemberg geplante Untersuchungshaftanstalt ausgewiesen. Nun soll dieser Plan bis zum Jahr 2020 fortgeschrieben werden.

Der Gemeinderat beschloss am 23.06.2002 in öffentlicher Sitzung, das für die Haftanstalt vorgesehene Sondergebiet „Mühlweg III“ aus dem neuen FNP streichen zu lassen und so die Haftanstalt in St. Ilgen zu verhindern. Der Nachbarschaftsverband ist zu einer Streichung aufgrund einer Stellungnahme des Landes nicht bereit.

Die SPD-Fraktion vertritt in dieser Frage keine einheitliche Meinung. Bei der Abstimmung stimmten 3 Räte (aus der SPD) gegen eine Streichung, 25 Räte (davon 4 aus der SPD) stimmten dafür. Die SPD-Ortsvereine Leimen und St. Ilgen sind wohl mehrheitlich für eine Streichung.

Ich will Ihnen darlegen, warum ich gegen eine Streichung des „Mühlweg III“ aus dem FNP bin:

  1. Zunächst zur Historie: Die Planungen für eine Untersuchungshaftanstalt auf St. Ilgener Gemarkung sind aus den 50er Jahren. Damals plante das Land auf eigenem Gelände im Norden von St. Ilgen die Haftanstalt zu bauen und reservierte entsprechende Grundstücke dafür. 1966 wurden diese Flächen – um den Entwicklungsplanungen der Gemeinde St. Ilgen nicht im Wege zu stehen – für Wohnzwecke und Industrieansiedlung zur Verfügung gestellt. Als Gegenleistung für das Entgegenkommen des Landes hat sich der Gemeinderat unter Bürgermeister Herbert Ehrbar am 19.12.1966 ausdrücklich mit der Errichtung einer Vollzugsanstalt auf St. Ilgener Gemarkung einverstanden erklärt. Mit der Aufgabe der ursprünglich vorgesehenen Flächen zugunsten der Gemeinde St. Ilgen einigte sich das Land mit der Gemeinde auf eine im Eigentum des Landes stehende Fläche im Gewann „Probsterwaldwiesen“ als neuen Standort für eine Haftanstalt. Nach der Zusammenlegung der Gemeinde St. Ilgen mit der Gemeinde Leimen hat das Land erneut das Projekt hinter städtebauliche Entwicklungsabsichten der Gemeinde zurückgestellt und ein 40 Hektar großes Grundstück – auf dem die Haftanstalt entstehen sollte – für die Baugebiete „Fasanerie I – III“ zur Verfügung gestellt. Die Gemeinde Leimen hat dieses Gelände einer Wohnbebauung zugeführt und neben der Abschöpfung von Umlegungsvorteilen auch eine Wohnungsbauförderung des Landes erhalten. Als Ersatzstandort für die Haftanstalt schlug Leimens Gemeinderat selbst das Gebiet „Mühlweg“ vor. 1994 kam das Land der Stadt Leimen ein weiteres Mal entgegen, als es zur Ermöglichung eines Gewerbegebiets im Bereich „Mühlweg“ auf einige Hektar der Sonderbaufläche für die Haftanstalt verzichtete. Das Land hat also stets kommunalen Planungen und Entwicklungen Vorrang vor eigenen Interessen eingeräumt.
  2. Politik – auch und besonders in der Kommune – setzt Verlässlichkeit voraus. Auch wenn es fast 40 Jahre her ist, so gibt es doch eine verbindliche Zusage der damals noch selbständigen Gemeinde St. Ilgen, die Haftanstalt auf St. Ilgener Gemarkung zu ermöglichen. Und der Gemeinderat Leimens hat dies 1983 und 1994 bestätigt. Auch wenn uns dies heute nicht mehr passt, so ist es kein guter Stil, wenn ein Gemeinderat seine Meinung wie „ein Fähnlein im Wind“ dreht und sagt: „Was geht uns unser Gerede von damals an?“ Schließlich erwarten wir auch vom Land, dass es zu seinen einmal gemachten Zusagen steht.
  3. Ich bin kein Anhänger des St. Floriansprinzips. Es gibt in Baden-Württemberg dringenden Bedarf sowohl an Untersuchungshaft- als auch an Vollzugsplätzen. Und es wundert mich sehr, wenn sich gerade die Fraktion der CDU, die so stark für ein Polizeirevier in Leimen und für ein repressives Vorgehen gegen störende Elemente kämpft, sich gegen die Einrichtung einer Untersuchungshaftanstalt vor Ort wehrt. Was hilft ein Polizeirevier, wenn die Polizisten zum großen Teil damit beschäftigt sind, Festgenommene in eine ferne U-Haftanstalt in den tiefen Odenwald oder Schwarzwald zu transportieren? Politik in der Gemeinde setzt auch voraus, Entscheidungen, die nicht populär sind, aber im Interesse der Allgemeinheit liegen, zu vertreten.
  4. Ich könnte entgegen meiner Überzeugung auch für die Streichung des Sondergebiets „Mühlweg III“ / gegen die Haftanstalt votieren und damit der Kritik der Gegner der Haftanstalt entgehen. So tun es einige, die in der Vergangenheit die Haftanstalt unterstützt haben und heute dagegen sind. Die Entscheidungskompetenz liegt eh nicht beim Gemeinderat, sondern auf höherer Ebene. Ich tue es nicht, weil mir Aufrichtigkeit wichtiger ist, als Populismus.