Leserbrief von Dr. Peter Sandner
zum Verlauf der Gemeinderatssitzung am 18.7.2002

Dr. Peter Sandner
Panoramastr. 20b
69181 Leimen
22. Juli 2002


An die Redaktion der Rhein-Neckar-Zeitung und der Rathaus-Rundschau

Sehr geehrte Damen und Herren,

Bei der Gemeinderatssitzung am 18.7.2002 sollten Beanstandungen der Gemeindeprüfungsanstalt für die Jahre 1996 bis 2000 behandelt und offene Probleme aus dieser Zeit aufgearbeitet werden. So werden von der Gemeindeprüfungsanstalt Beschlüsse des Gemeinderats als notwendig erachtet, die im genannten Zeitraum vom damaligen OB dem Gemeinderat nicht zur Entscheidung vorgelegt worden sind, obwohl die Entscheidungsbefugnis eindeutig beim Gemeinderat lag.

Alle diesbezüglichen Tagesordnungspunkte der Gemeinderatssitzung am 18.7.2002 wurden auf Antrag der CDU-Fraktion durch Beschluss der Mehrheit des Gemeinderats von der Tagesordnung abgesetzt. Als Begründung wurde zunächst behauptet, dass eine solche Behandlung im Gemeinderat ein Eingriff in schwebende Verfahren sei, und dann zusätzlich die Vermutung nachgeschoben, "dass diese Sondersitzung nicht zum Aufarbeiten der Vorgänge der Vergangenheit dienen soll, sondern eher der persönlichen Abrechnung - von wem auch immer".

Hierzu stellt die SPD-Fraktion klar:

1. Die Bedenken hinsichtlich des möglichen Eingriffs in schwebende Verfahren entbehren nach Auffassung der SPD-Fraktion jeglicher Grundlage.

Der Eingriff in ein schwebendes Verfahren ist gesetzlich zwar nicht geregelt, das heißt, es ist nicht definiert, welche Eingriffe zulässig und welche unzulässig sind, dennoch hat sich eine gängige Rechtspraxis herausgebildet.

Laufende Ermittlungen und Verfahren dürfen andere Staatsorgane nicht daran hindern, ihre nach Verfassung und Gesetz vorgesehenen Aufgaben zu erfüllen und Rechte wahrzunehmen. Gesetzmäßiges Verwaltungshandeln darf nicht als unzulässiger Eingriff angesehen werden - also auch Entscheidungen des Gemeinderats in allen Angelegenheiten, die ihm durch Gesetz übertragen sind. Damit ergibt sich die Notwendigkeit, dass sich der Gemeinderat mit diesen Tagesordnungspunkten befasst. Die Gemeindeprüfungsanstalt hat die Stadt aufgefordert, bis zum 30.09.2002 zu den Beanstandungen Stellung zu nehmen und Entscheidungen des Gemeinderats herbeizuführen.

2. Die Befürchtung der CDU, dass die Sitzung "nicht zum Aufarbeiten der Vorgänge dienen soll, sondern eher der persönlichen Abrechnung dient" stellt ebenfalls keinen hinreichenden Grund für die Verschiebung der Behandlung der genannten Punkte dar.

Die CDU-Fraktion muss sich fragen lassen, wem sie das Motiv der "persönlichen Abrechnung"“ unterstellt. "Von wem auch immer" - sind damit pauschal alle gemeint, die diese Tagesordnungspunkte jetzt behandeln wollen? Auch muss sich die CDU-Fraktion fragen lassen, auf Grund welcher Vorfälle sie solche Verdächtigungen ausstreut.

Die SPD-Fraktion verbittet es sich jedenfalls, verdächtigt zu werden, mit dem ehemaligen OB persönlich abrechnen zu wollen. Was wir allerdings wollen, ist eine baldige Aufarbeitung der von der Gemeindeprüfungsanstalt beanstandeten Vorgänge. Dabei kann unsere Aufgabe nicht darin bestehen, im Nachhinein jetzt alles so abzusegnen, wie es der damalige OB entschied, ohne den zuständigen Gemeinderat zu fragen.

Die SPD-Fraktion wird sich in ihren Entscheidungen nicht von den persönlichen Interessen des damaligen OB (und anderer damals Beteiligten) beeinflussen lassen und auch keine Rücksicht auf die möglichen Folgen der jetzigen Entscheidung für die damals Beteiligten nehmen. Von dieser Handlungsweise werden wir uns auch nicht durch die pauschale Verdächtigung der persönlichen Abrechnung abbringen lassen. Die Entscheidungen des Gemeinderats haben dem Wohl der Stadt und dem ihrer Einwohner zu dienen, nicht dem Schutz ehemaliger oder aktueller Amts- und Mandatsträger.

Die CDU-Fraktion muss sich fragen lassen, was sie mit diesem Vorgehen bezweckt. Wenn sie schon Mitgliedern des Gemeinderats das Motiv der "persönlichen Abrechnung" unterstellt, so wird das Motiv wohl sicher auch noch für die Zukunft gelten. Es sei denn die CDU-Fraktion will die - sicher unangenehme - Diskussion dieser Punkte im Gemeinderat so lange aufschieben, bis sich die Zusammensetzung des Gremiums nach den nächsten Wahlen geändert hat (und das Interesse der Bevölkerung an diesen Punkten weitgehend erloschen ist). Oder will sich die CDU-Fraktion um die eigene Aufarbeitung dieser Punkte im Gemeinderat drücken und sich lieber nur hinter Entscheidungen der Staatsanwaltschaft und der Gerichte verstecken, ohne selbst Farbe zu bekennen?

Dr. Peter Sandner
Fraktionssprecher der SPD-Gemeinderatsfraktion