Leserbrief von Wolfgang Krauth
zur Gemeinderatssitzung am 10.5.2001:
Bürgerversammlung und Nachtragshaushalt
Wolfgang Krauth
An die Redaktion von Leimen aktuell Sehr geehrte Frau Gassmann, offenbar hat die CDU-Gemeinderatsfraktion wenig Vertrauen zur Berichterstattung der örtlichen Presse, da sie - bevor überhaupt ein Bericht von der letzten Sitzung des Gemeinderates in Leimen aktuell zu lesen war - selbst aus ihrer Sicht darüber berichtet. Ich nehme mir daher die Freiheit einige Bemerkungen von der "anderen Seite" des Gremiums einzubringen. 1. Bürgerversammlung: Eine Bürgerversammlung vor den Sommerferien wird es in Leimen nicht geben, weil CDU und - entgegen ihrer eigenen Stellungnahme - auch SDW sich nicht auf einen so frühen Termin einlassen wollten und dagegen gestimmt haben. SPD und GALL waren dafür FWV und FDP enthielten sich. Woher kommt die Angst großer Teile des Gemeinderates vor einer Bürgerversammlung? Laut Gemeindeordnung sollen wichtige Gemeindeangelegenheiten mit den Einwohnern erörtert werden. Zu diesem Zweck soll der Gemeinderat i. d. R. einmal im Jahr eine Bürgerversammlung anberaumen. "Die Bürgerversammlung kann keine bindenden Beschlüsse fassen, wohl aber Anregungen und Vorschläge vorbringen und Kritik üben. Unmittelbare Rechtsfolgen knüpfen sich daran nicht, aber das zuständige Gemeindeorgan (OB oder Gemeinderat) "soll" sich binnen drei Monaten mit den Anregungen beschäftigen. Ein bestimmtes Ergebnis muss sich daraus nicht ergeben" (Günter Püttner: Kommunalrecht Baden-Württemberg, S. 81). OB Wolfgang Ernst wollte im Rahmen einer Bürgerversammlung die Bevölkerung aus 1. Hand über die desolate der städtischen Finanzen informieren und von den Bürgern Anregungen und Vorschläge für eine Überwindung der Krise einholen. Überfällig ist eine Bürgerversammlung längst, nachdem 2000 keine war. Und zu informieren gäbe es genug. Auch Anregungen und Vorschläge zur Überwindung der Finanzkrise müssten einem Gemeinderat eigentlich willkommen sein, der ja nicht gerade durch Kreativität und Entscheidungsfreude glänzt, sondern eher dadurch dass er etliche Dinge endlos vor berät und dennoch nie zu einer Entscheidung kommt. Das Problem der CDU und der SDW ist wohl eher in der zu erwartenden Kritik zu sehen. (Am Rande der Sitzung war das Wort "Tribunal" in Zusammenhang mit der Bürgerversammlung zu hören.) Kritik ist es, was man bei CDU und SDW am meisten fürchtet. Daher rührt der Wunsch, weniger über die schlechten Finanzen zu reden und der Verweis auf die Vergangenheit, als immer wieder bessere Zeiten gekommen seien. Daher auch der Wunsch alle in die Verantwortung für früher getroffene Beschlüsse einzubinden, der Wunsch nach Eintracht und Zusammenhalt im Gremium. Und damit sind wir auch schon beim 2. Nachtragshaushalt und den Finanzen allgemein: Der Einbruch bei den Gewerbesteuereinnahmen machte einen sofortigen Nachtragshaushalt für 2001 notwendig. SPD und GALL konnten dem Nachtragshaushalt nicht zustimmen. Wenn einem Privatmann die Einnahmen wegbrechen, versucht er seine Ausgaben zu reduzieren oder nach anderen Einnahmemöglichkeiten zu schauen. OB und Verwaltung haben Verbesserungen auf der Einnahmeseite vorgeschlagen, die CDU und SDW in den Vorberatungen abgelehnt haben. Ihre Lösung: Grundstücke verkaufen und noch mehr Schulden machen. Fast 10 Millionen DM Schulden wird die Stadt Leimen allein dieses Jahr aufnehmen. Und zwar nicht für Investitionen, sondern zur Bestreitung der laufenden Ausgaben. Ein solches Verhalten ist nach Meinung der SPD nicht zu verantworten. Und hier bin ich nun beim Grundproblem der Kommunalpolitik während der Ära Ehrbar angelangt: OB Ehrbar und die ihm zumeist treu ergebene Gemeinderatsmehrheit wollten niemand Böses tun. Sie wollten jedermann geben und niemand etwas wegnehmen. Geld ausgeben mit vollen Händen war über Jahrzehnte hinweg angesagt. Leimen lebte auf zu großem Fuß und hat sich zu sehr daran gewöhnt. Solange man durch Baulandumlegungen immer wieder Grundstücke schuf, die man zu guten Preisen verkaufen konnte, ging die Sache gut. Und der frühere OB hatte hier eine nahezu perfekte Zeitplanung. Das Vermögen war erst verspielt, als seine Amtszeit zu Ende war. Die Finanzen der Stadt Leimen waren über Jahre hinweg eine Zeitbombe, die jetzt explodiert ist. Und seit ich im Gemeinderat bin (1994) haben die Mehrheitsfraktionen von CDU, SDW und auch FWV den Haushaltsplänen, die zur jetzigen Situation geführt haben - trotz Mahnungen - stets zugestimmt. Und wenn Herr Bader, CDU, in der Gemeinderatssitzung vom 10. Mai 2001 behauptet, die SPD habe dies auch getan, so beweist er ein sehr schlechtes Gedächtnis. Genauso wie es nur Unwissenheit sein kann, die Frau Steinle dazu bringt in Leimen aktuell vom 16. Mai 2001 zu behaupten, die GALL habe vieles, was heute moniert wird, mit beschlossen. Der Nachtragshaushalt und die Diskussion im Gemeinderat dazu beweisen, dass man bei CDU und SDW aus der Vergangenheit noch nichts gelernt hat. So lange die Mehrheit des Gemeinderates aber nicht zu eisernem unpopulärem Sparen bereit ist, sondern lediglich auf bessere Zeiten hofft - und anderen Populismus vorwirft -, so lange wird auch eine Haushaltsstrukturkommission nicht helfen. Helfen kann nur die Angst der Mehrheit vor "Kritik aus dem Volk".
Wolfgang Krauth P. S.: Mit 1250 Unterschriften können die Leimener eine Bürgerversammlung sofort durchsetzen. Vielleicht finden sich ja ein paar engagierte Bürger, die Initiative entwickeln. |