Ansprache
bei der Vereidigung und Verpflichtung
von Wolfgang Ernst
Hans-Henning Mohring
Herr Vorsitzender,
Liebe Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderats,
Ein Eid, das wissen nicht nur die Juristen, ist eine besonders feierliche Bekräftigung einer Aussage oder eines Versprechens. Wolfgang Ernst verspricht, Gerechtigkeit gegen jedermann zu üben, die Rechte der Stadt Leimen gewissenhaft zu wahren und ihr Wohl und das ihrer Einwohner nach Kräften zu fördern. Ein Falscheid, auch Meineid genannt, ist mit einer erheblichen Strafdrohung bewehrt. Vor einer Vereidigung im Justizbetrieb ist derjenige, der einen Eid abnimmt, gesetzlich verpflichtet, den Schwörenden in jedem Einzelfall auf die Gefahren eines Meineides hinzuweisen. Beim politischen Eid, beim Diensteid, ist das weder vorgeschrieben, noch üblich. Vielleicht sollten Angehörige von Gesetzeskörperschaften einmal darüber nachdenken, ob das so bleiben muß und gegebenenfalls, warum. Oberbürgermeister ist weder ein Oberbürger, noch ein Obermeister. Es ist eine reine Dienstbezeichnung, abhängig von der Einwohnerzahl der jeweiligen Kommune. Und "Bürgermeister" ist auch kein Beruf, sondern ein Amt auf Zeit. Das Amt hat das Ansehen, der ins Amt Gewählte hat das Vertrauen. Im Brockhaus, in einer 125-Jahre alten Ausgabe steht zum Begriff "Bürgermeister" nachzulesen: "Als die Städte im Mittelalter sich mehr und mehr entwickelten und Selbstverwaltung erhielten, stellten sie an ihre Spitze Bürgermeister, welche an einigen Orten auf längere Zeit, sogar unter Umständen auf Lebensdauer, gewöhnlich aber nur auf ein oder zwei Jahre gewählt wurden, aber auch im letzteren Falle oft lange im Amt blieben. Meist waren zwei Bürgermeister vorhanden, welche jährlich oder halbjährlich alternierten. Zur Seite stand ihnen ein Rath, oft auch eine Vertretung der Bürgerschaft, wenn diese so zahlreich war, daß sie in ihrer Gesamtheit zu Beratungen nicht mehr zusammenzutreten vermochte". Zur Aktualität dieser 125 Jahre alten Zeilen möge sich jeder seine eigenen Gedanken machen. "Erster unter Gleichen" nannte man im alten Rom die gewählten Vertreter. Ihre demokratische Legitimation verbot es ihnen, sich über die Bürger zu erheben. Daß Caesar sich gegen dieses Gesetz zum Kaiser krönen ließ, kostete ihn das Leben. Das Wort Bürger kommt vom althochdeutschen "burgari": das waren Kaufleute und Handwerker, die sich in burgähnlichen Festungen vor den Übergriffen privilegierter Fürsten schützten. Die wählten sich aus eigenen Reihen einen Anführer den Bürgermeister. Das deutsche Wort "Meister" wiederum entstammt dem lateinischen "magister" und heißt nicht mehr als Vorsteher, Lehrer, Leiter. Meister wird man durch Leistung, nicht durch Stand, Adel, Geld oder ererbte Privilegien. Bürgermeister wird man durch Wahl in ein seit vielen Jahrhunderten demokratisch legitimiertes Amt, viel älter als Parlament, Kanzler und die Demokratie als in Deutschland eingeführte Staatsform. Schon im Mittelalter wurde dieses Amt nur auf Zeit vergeben. Die schwere Bürde dieses Amtes mußte nur auf Zeit getragen werden, damit nicht das Amt den Amtsinhaber formt, sondern umgekehrt. Schon im Mittelalter gab es in der Regel zwei Bürgermeister, die sich abwechselten. Das ist heute anders: beide Bürgermeister müssen zusammenarbeiten und da freuen wir uns in Leimen besonders, daß der zurückliegende Wahlkampf keine persönlichen Wunden geschlagen hat, die diese Verpflichtung erschweren oder gar unmöglich machen. Dafür sagen wir heute beiden Partelen und deren Kandidaten Dank. Daß die Mehrheiten im Gemeinderat anders hätten entscheiden können, als daß ein sozialdemokratischer Fraktionssprecher den Sozialdemokraten Wolfgang Ernst vereidigt, sehen wir selbstverständlich klar und deutlich. Und deswegen sehen wir auch diese einstimmig getroffene Entscheidung als Signal für den Neuanfang, den die Wähler in Leimen in beiden Wahlgängen als deutliches Ziel und eindeutigen Willen bekundet haben. Schon im Mittelalter gab es den Rat als Institution, der für den Bürgermeister Akzente setzen sollte, ihm aber auch zur Seite stand, damit er kein kleiner König wurde, der machen konnte, was er wollte. Auch Macht auf Zeit ist eine uralte Tradition der Bürgermeister und nicht erst eine Erfindung des Grundgesetzes. Meister der Bürger zu sein kann also kein Beruf sein, sondern eine Berufung. Um in dies Amt berufen zu werden, muß der Bewerber etwas tun: sich zur Wahl stellen. Das Amt genießt das Ansehen, der Gewählte genießt das Vertrauen der Mehrheit, dem Amte gerecht zu werden. Das Amt ist legitimiert, der neue Inhaber muß sich des in ihn gesetzten Vertrauens würdig erweisen und vorher feierlich versprechen, das Amt zu achten und nicht etwa die dadurch gegebenen Machtmöglichkeiten zu missbrauchen, Gerechtigkeit gegenüber jedermann zu üben und das Wohl der Stadt und ihrer Einwohner nach Kräften zu fördern. Wenn Sie, lieber Wolfgang Ernst, diesen Diensteid leisten und dann auch einhalten wollen, kommen Sie bitte zu mir auf die Bühne und leisten Sie den Eid in aller Form vor dem Leimener Gemeinderat und dem erlauchten Kreis der Gäste und politischen Würdenträger: "Ich schwöre, dass ich mein Amt nach bestem Wissen und Können führen, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, die Landesverfassung und das Recht achten und verteidigen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. Insbesondere gelobe ich, die Rechte der Stadt gewissenhaft zu wahren und ihr Wohl und das ihrer Einwohner nach Kräften zu fördern. So wahr mir Gott helfe." |