SPD-Ortsverein Leimen-St. Ilgen-Gauangelloch Menschenkette und Solidaritätskundgebung mit den Geflüchteten im Mittelmeer
In Dankbarkeit zu den Akteuren der heutigen Solidaritätskundgebung: Menschen, die im Mittelmeerraum zwecks Flucht ihr Leben riskieren, möchte ich Sie alle Vertreter der Kirchen, politische Parteien, Vereine und einzelne Akteure mit dem Grußwort meiner Heimat Afghanistan begrüßen: Salam (Friede)! Ich bin in diesem bewegenden Moment in Gedanken bei den Menschen aus Syrien, Irak, Jemen und Afghanistan, die ihre Heimatländer, ihr Hab und Gut verlassen müssen, um das Leben ihrer Kinder und Frauen in Sicherheit zu bringen. Nicht selten höre ich diese unbewusste Äußerung, dass die Fluchtsuchende in Europa ein „besseres“ Leben erwarten. Das Wort „besser“ ist für mich eine Steigerungsform von „gut“. Das ist nicht der wirkliche Grund des Verlassens der Heimat. Sie fliehen, weil ihr Leben in Gefahr ist. Das mindestens erfahren wir durch die Presse, dass tausende, gar hunderttausende Menschen in diesen Ländern durch Krieg getötet werden. und das friedliche Leben der Menschen beraubt. Da ist von Brot und Trinkwasser keine Rede, Bildung und medizinische Versorgung unvorstellbar, aber Waffen und Munitionen, Drohnen und Bomben aller Herren Länder absolut sicher und selbstverständlich! Bedauerlicherweise versuchen manche rechtsgerichtete Gruppierungen, zwar mit geschickter aber wahrheitswidriger und demagogischer Rhetorik, Schutzbedürftige und ihre ehrenamtliche Helfer sowie zivilgesellschaftlichen Akteure, die im Mittelmeer Geflüchtete vor dem Ertrinken retten, zu kriminalisieren. Ihr propagandistischer Jargon „Asylmissbrauch“ wird verallgemeinert und als gegenstandloser Vorwurf gegen alle Geflüchteten pauschal instrumentalisiert. Im Gegensatz dazu ist es äußert ermutigend, wie unzählige Menschen sich an solidarischen Veranstaltungen mit den Asylsuchenden beteiligen. Ich bin selbst Afghanischer Herkunft, kam 1980 zwecks Studiums nach Deutschland, wurde im Jahre 1995 eingebürgert. In den letzten 13 Jahren war ich als Regierungsberater auf den Gebieten des Bildungswesens, der Wiedereingliederung der rückkehrenden afghanischen Flüchtlinge sowie als Berater in kommunalpolitischen Fragen in Afghanistan tätig. Darum ist es nicht fehl am Platze, einen kurzen Blick der letzten Ereignissen in Afghanistan zu werfen. In der unseligen Nacht vom 15.August d.J., nachdem die Streitkräfte und diplomatischen Missionen der über 45 wirtschaftlich stärksten Nationen der Welt Afghanistan verlassen hatten und als letzter auch der Präsident sein Land fluchtartig verließ, stürmten die radikal islamischen Taliban auf die Hauptstadt Kabul. Unter der Bevölkerung der Hauptstadt brach eine beispiellose Panik und Chaos aus. Bei den Fluchtversuchen während der „Evakuierungsaktion“ der US-Militärs fielen einige junge Männer von hunderten Metern Flughöhe zu Boden. die sich an einem US-Militärflugzeug fest geklammert hatten. Ein schrecklicher Schauplatz der Verzweiflung, ein wahres Bild der Apokalypse und des Weltunterganges auf diesem Puzzleteil der Weltkarte. Und nun ein Anmerkung der Evakuierung der Fachkräfte aus Afghanistan: Die Internationale „Anti-Terror“ Allianz sowie internationale staatliche und nicht staatliche Organisationen, die bis dahin in Afghanistan aktiv waren, begannen am 15. August mit der „Evakuierung“ ihrer Ortskräfte. Wenn man die Zahl dieser Organisationen in Afghanistan auf nur 200 reduziert und für jede Organisation durchschnittlich landesweit 2000 Personen schätzt, mit je durchschnittlich 5 Personen Familienmitglieder, das sind über zwei Mio. Menschen, die legal das Land verlassen dürfen. Dazu kommt noch, dass fast alle junge Menschen, die sich Ihre Zukunft unter der Taliban-Theokratie nicht vorstellen können, sind ebenfalls auf der Suche nach Fluchtgelegenheit. Somit übersteigt die Zahl der potenziellen Fluchtsuchenden über die Hälfte der Gesamtbevölkerung Afghanistans. Die „Evakuierung“ der Fachkräfte des Landes , das Einfrieren des staatlichen Vermögens Afghanistan durch die USA als Druckmittel auf die neuen Machthaber Taliban und das Erschweren der Ein- und Ausfuhr des Grundbedarfs der Bevölkerung an den Grenzen zu den Nachbarländern sind herbe Schläge und harte Strafe gegen die afghanische Bevölkerung. Diese Miseren beunruhigen mich zutiefst. Darum versuche ich, mich nach Afghanistan zu begeben, sobald mir dafür die Möglichkeiten gegeben sind. Ich will versuchen, vor Ort möglichst viele jungen Menschen von der Flucht abzuraten. Die Wiedererscheinung der Taliban mit ihrer despotisch-theokratischer Herrschaft ist leider eine unüberwindbare Realität. Weder die B25 Bomber, noch Drohnen und Streubomben, noch die Mutter aller Bomben à la Trump Administrationkonnten diesen Sturm aufhalten. Gelitten hat aber das Volk. Gegenwärtig bleib für Afghanistan nur eine einzige Möglichkeit: Unter den Ist-Bedingungen zu leben, eigene nationale Potenziale und Ressourcen zu nutzen, ohne maßgebliche fremde Hilfe. Der unerlässliche Faktor für einen wahren Wiederaufbau des Landes ist Frieden. Will man nicht im Pessimismus versinken, mit Beendigung des Kriegs seit 15.August ist diese Voraussetzung vorhanden. Es wird nicht mehr flächendeckend gekämpft, ausgenommen vereinzelte Terroranschläge der IS Anhänger arabischer Herkunft. Es ist möglich, dass Millionen Binnenflüchtlinge des Landes zu ihren Ortschaften und Dörfern zurückkehren und Ihre Felder kultivieren. Kleine traditionelle Gewerbe und Handwerk widerbelebt werden, die aufgrund der Geldströme des Westen und Importe aus der Nachbarländer aufgelöst wurden. Das Land hat fruchtbarer Boden, ausreichend Wasserquellen und optimale klimatische Voraussetzungen für Landwirtschaft und in den Bergen unbegrenzte Weidenflächen für Nomaden und Ihre Viehzucht. Ich kann versichern, dass sich das Land allein von dem Land und- Forstwirtschaft sowie der Viehzucht ausreichend versorgen kann, ohne fremde Hilfe. Ich kann meine angestrebten Ziele in Afghanistan nur unter den folgenden Voraussetzungen erfüllen: - Kontaktaufnahme mit den Vertretern der neuen theokratischen Machthaber. Ohne vorherige Austausch und Kommunikation mit den Entscheidungsträgern der neuen politischen Gebilde ist jegliche Bemühung nicht realistisch. - Unterstützung durch die Zivilgesellschaft und öffentlichen Instanzen in Deutschland. Ohne Verständigung und Rückendeckung der relevanten Instanzen ist ein persönliches Engagement macht wenig Sinn. In diesem Sinne brauche ich Unterstützung, Ihre moralische Unterstützung und Beistand. Zuletzt möchte ich -passend zur Lage in Afghanistan- Franz von Assissi zitieren: „Gegen die Nacht können wir nicht ankämpfen, wir können ein Licht anzünden“ Ich bedanke mich für ihre Geduld. Dr. Abdul Bari |