SPD-Ortsverein Leimen-St. Ilgen-Gauangelloch

Ein SPD-Mann auf der Suche nach AfD-Wählern
SPD-Abgeordneter Lars Castellucci wollte in St. Ilgen wissen:
Warum haben hier 22,5 Prozent die AfD gewählt?


Lars Castellucci klingelt. Nach einer Weile geht die Tür auf und ein Mann schaut skeptisch heraus. "Hallo, ich bin ihr Bundestagsabgeordneter von der SPD, haben Sie gerade Zeit für mich?", fragt Lars Castellucci. "Haben sie eine Vermutung, warum hier so viele Menschen die AfD gewählt haben?" Denn die Aktion hat einen triftigen Grund: In dem Wahlbezirk mit der Nummer 003-02 rund um den St. Ilgener Bahnhof hatte die AfD bei der Bundestagswahl mit 22,5 Prozent der Zweitstimmen das zweithöchste Ergebnis eines Bezirks im Wahlkreis Rhein-Neckar erreicht. Nur in einem Bezirk in Sinsheim war der Stimmanteil höher. Insgesamt kam die AfD im Stadtgebiet Leimen auf 17,3 Prozent der Zweitstimmen.

Zwei Monate nach der Wahl zieht Castellucci nun mit einigen Mitgliedern der Leimener SPD - darunter Stadträtin Christiane Mattheier - durch den Stadtteil, um mit Anwohnern zu sprechen und "um zu verstehen, was hier los ist". Das Ganze fand im Rahmen der SPD-Aktionswoche "Fraktion im Dialog" statt.


Die SPD an der Haustür:
Stadträtin Christiane Mattheier und der Bundestagsabgeordnete Lars Castellucci wollten die ehrliche Meinung der Bürger hören.
Foto: Schneider

Doch öffnet überhaupt jemand die Tür? "Ich würde die Tür auch nicht aufmachen, wenn irgendein Fremder davor steht", gibt der Abgeordnete unumwunden zu. Deshalb wolle er nichts erwarten und sich einfach überraschen lassen.

Von einem Mann, der gerade in seiner Garage arbeitet, wird der Abgeordnete hineingebeten. Auf die Frage, was seine Meinung zu dem AfD-Stimmenanteil sei, antwortet er: "Die Leute sind unzufrieden mit dem, was Angela Merkel die letzten Jahre angerichtet hat." Auch glaubt er, dass einige ein Problem mit den Flüchtlingen in Deutschland haben.

Diese Meinung wird beim nächsten Haus direkt bestätigt. Ein Mann mittleren Alters geht mit seiner politischen Meinung offen um: "Meine Kinder können sich nicht mehr normal bewegen", sagt er. Es seien ihm zu viele Ausländer in der Umgebung, sogar er als Mann habe Angst alleine aus dem Haus zu gehen. Castellucci bemerkt dazu: "Das hier ist doch ein sehr nettes Wohngebiet." Der Anwohner stimmt ihm zu, erwidert aber, dass er im Supermarkt um die Ecke oft der einzige Deutsche sei und sich deshalb unwohl fühle. Das große Problem bei den Flüchtlingen sei aber, dass "die ja nichts können".

Die nächsten Leute, die der Abgeordnete anspricht, reagieren überrascht auf den hohen Wähleranteil und antworten mit dem in der Folge noch öfter zu hörenden Satz "Wir waren es nicht!" Auch eine Jugendliche spricht Castellucci an. Sie wohne noch nicht lange in Leimen und könne deshalb nicht sagen, welche Ursache das Wahlergebnis hat. Etwa fünf Minuten später läuft sie sehr zielstrebig auf den Abgeordneten zu und fragt: "Was halten sie eigentlich von Massentierhaltung?" Genau solche Reaktionen will er mit diesem Besuchen erreichen, freut sich Castellucci.

Eine junge Frau mit Kinderwagen scheint sehr froh zu sein, einem Politiker ihre Meinung sagen zu können. Sie sei vor allem von den Gebühren für Kitas betroffen. "Die Kosten sind so hoch, dass ich ein zweites Kind erst mal durchrechnen muss", klagt sie. Gleichzeitig würden aber die Erzieherinnen viel zu wenig wertgeschätzt. Was diese leisten, sei unglaublich, meint die Frau. Sie denkt außerdem, dass Unwissenheit, Protest und auch "Dummheit" der Grund sei, dass die Leute Parteien wie die AfD wählen. In den Häusern der Nachbarschaft waren die Aussagen ähnlich.

"Ich bin froh, dass so viele offen ihre ehrliche Meinung vertreten haben", erklärt Lars Castellucci zum Abschluss. Genau das habe er gewollt.


Lana Schneider