SPD-Gemeinderatsfraktion Leimen SPD-Fraktion in Flandern - Fraktionsausflug 2011 Ein Busfahrer der Firma Omnibusreisen Schmidt holte Fraktions- und Parteimitglieder und Angehörige in aller Frühe in St.Ilgen ab, bis Darmstadt stiegen weitere Reiseteilnehmer zu, dann ging es vorbei an Koblenz und Aachen weiter nach Brüssel, wo wir nach nur kleineren Staus am frühen Nachmittag eintrafen. Nach dem Einchecken in einem Hotel im Zentrum begann die Stadtrundfahrt mit Arthur, einem junggebliebenen 82-jährigen Flamen, der uns die nächsten Tage begleitete und es nicht versäumte, auch die politischen, sozialen und historischen Zusammenhänge zu erläutern. Der bekannte Konflikt zwischen Flandern und Wallonien ist nur vordergründig ein Sprachenstreit. Bedeutsamer ist der soziale Gegensatz. Während die Wirtschaft in Flandern mit moderner Industrie und Handel sowie Niederlassungen zahlreicher internationaler Konzerne leistungsfähig war und noch ist, war die Wirtschaft in Wallonien nach dem zweiten Weltkrieg ganz von Stahl und Kohle bestimmt, und nach dem Niedergang dieser Industrien hat die Politik den Strukturwandel, anders als etwa im Ruhrgebiet, versäumt. Viele Arbeit suchende Menschen sind dann in die Metropole Brüssel umgesiedelt, mit jetzt ca. 1,1 Millionen Einwohnern, darunter ca. 180.000 Muslime aus der Türkei und Nordafrika. Im Parlament sind nicht „die“ Konservativen oder „die“ Sozialisten vertreten, sondern jeweils flämische und wallonische, die sich häufig gegenseitig blockieren. Seit knapp einem Jahr hat Belgien keine vom Parlament gewählte Regierung, sondern nur eine kommissarische. Unsere Tour begann in der „Oberstadt“, die u.a. Regierungsgebäude, Botschaften, die königliche Residenz und den sehenswerten Justizpalast enthält. An sie schließt sich die „Europastadt“ an, die neben den Parlaments-, Kommissions- und Ministerratsgebäuden auch – für viele von uns überraschend – unter dem Motto „Europa der Regionen“ repräsentative Vertretungen der Bundesländer, u.a. Baden-Württemberg und Bayern, beherbergt. Wir verließen den Bus und erkundeten zu Fuß die „Unterstadt“ mit dem weltbekannten „Grand Place“, verwinkelten Gassen mit zahlreichen Restaurants, der ersten Einkaufspassage Europas mit Glasdach. An der „Alten Börse“ endete die Führung. Mit „Miesmuscheln und Pommes Frites“ und anderen leckeren Gerichten klang der erste Tag aus.
Der zweite Tag führte uns zunächst nach Brügge. Die von den Wikingern gegründete heutige Altstadt wird fast vollständig von der Backsteingotik beherrscht, kein weltliches Gebäude hat mehr als drei Stockwerke. Eine „Stadt in der Stadt“ ist der Begijnhof, in dem heute noch Nonnen leben. Kanäle durchziehen und umschließen das Zentrum. Sehenswert ist auch hier der Große Platz mit dem Rathaus und den umliegenden Gebäuden, die vom früheren Reichtum der alten Hansestadt zeugen. Als die Verbindung zum Meer versandete, verlor die Stadt an Bedeutung, heute hat sie mit Zeebrugge einen eigenen Seehafen. Die Stadträte unter uns versäumten es nicht, den prachtvollen gotischen Ratssaal mit goldverzierter Holzdecke zu inspizieren, etwas ratlos standen wir dann allerdings vor dem Ratstisch, an dem auf beiden Seiten jeweils nur fünf Stühle – in wertvollem Leder und Edelholz - standen. Ein Modell für den Gemeinderat Leimen ?!? Über die Kleinstadt Damme, bekannt durch den Schelmen „Till Eulenspiegel“ ging die Weiterfahrt an die Küste, durch das mondäne Knokke bis nach De Haan, Wetter und Gezeiten waren günstig, so genossen einige der Gruppe ein Fußbad in der überraschend warmen Nordsee. Über Oostende ging es auf der Autobahn zurück nach Brüssel. Die nahe liegende Frage, ob die Autobahnen immer noch die ganze Nacht durch beleuchtet werden, bejahte Arthur. Nachts werde halt mehr Strom produziert als für andere Zwecke benötigt werde, so die lapidare Erklärung. 70 % des Stroms werde heute von Kernkraftwerken erzeugt, auch Belgien will da bis 2020raus, doch keiner glaubt daran, denn Alternativen stehen weder jetzt noch in naher Zukunft zur Verfügung. Noch sieht man mehr alte Windmühlen als neue Windräder. Antwerpen, erstes Ziel des folgenden Tages, bekannt als Stadt des Barock, der Diamanten, der Mode, der Theater und des zweitgrößten Kontinentalhafens, empfing uns mit einem futuristischen Gebäude aus Stahl und Glas, mit „Zuckerhüten“ auf dem Dach. Der Architekt dieses neuen Justizpalastes ist Sir Norman Foster und nicht Salomon Guggenheim, wie ich mutmaßte. Die Stadtrundfahrt führte uns vorbei am alten Hafen, den Napoleon zur Durchsetzung der „Kontinentalsperre“ zu einem Militärhafen ausbauen ließ, vorbei an „Chinatown“, dem 1903 errichteten viktorianischen Kopfbahnhof, durch das Viertel der Diamantschleifer und endete am Ufer der Schelde. Zu Fuß erkundeten wir das alte Viertel um die Kathedrale mit einem versteckten Gässchen, in dem früher Schuhmacher wohnten und arbeiteten, auch hier ein großer Marktplatz mit Renaissance-Rathaus und sehenswerten Bürgerhäusern. In Gent, der zweiten Station, lasen wir mit großem Interesse die Inschrift „Socialistische Werkervereenigung“ an einer Häuserfassade. Es waren Textilarbeiter, die aus Protest gegen schlimme Wohn- und Arbeitsverhältnisse 1863 den ersten Arbeiterverein in Flandern gründeten – zeitgleich mit der Gründung des „Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins“ durch Ferdinand Lassalle in Deutschland. Protest hat Tradition in Gent. Im Jahr 1540 weigerten sich die Bürger, die vom aus Flandern stammenden Kaiser Karl V. geforderten Steuern zu zahlen, der Bürgermeister büßte diesen Ungehorsam mit dem Leben. Heutigen Bürgermeistern, die keine Steuern eintreiben, kann dies nicht mehr passieren . . . Ein 500 Jahre altes „Fleischerhaus“ war unser nächstes Ziel, die an dicken Balken aufgehängten Schinken waren garantiert nicht so alt und sahen lecker aus. In der Kathedrale kamen die Liebhaber alter Malerei auf ihre Kosten, außer einem sakralen Gemälde von Peter Paul Rubens war auch die Altarmalerei „Anbetung des Lammes“ von Jan und Hubert van Eyck zu bewundern. Die Fahrten zwischen den einzelnen Zielen nutzte Arthur zu weiteren Informationen. In den Schulen ist die jeweilige Muttersprache die Unterrichtssprache, auch Deutsch im östlichen Landesteil, in Brüssel sind niederländisch und französisch vertreten, außerdem existieren eine europäische Schule und mehrere nationale Schulen für die Kinder der Mitarbeiter der europäischen Institutionen. Das Wahrzeichen Brüssels, das Atomium, wurde 1958 zur Weltausstellung erstellt und soll ein Symbol für die friedliche Nutzung der Atomenergie darstellen. – Noch vor dem Besuch der Gaststätte für das Abendessen kam große Freude auf: Die ersten Hochrechnungen aus Mecklenburg-Vorpommern liefen über die Bildschirme. Auf der Rückfahrt nach St.Ilgen konnten sich Teilnehmer von kurzfristigen Schrecken erholen – eine am letzten Abend vor der Gaststätte entwendete Umhängetasche wurde dank aufmerksamen Personals ohne Verlust rückerobert, die Zwangspause im stecken gebliebenen Fahrstuhl dauerte für ein Ehepaar nur 10 Minuten. Die Reise endete nach wenigen Staus um 18 Uhr. An dieser Stelle sei Peter Sandner besonders gedankt, der den Veranstalter ausgesucht, die Anmeldungen vorgenommen, mit dem Veranstalter abgerechnet und auch vor Ort bestrebt war, nterschiedliche Interessen zu koordinieren. Karl-Heinz Wagner |