SPD-Ortsvereine Leimen und St.Ilgen Landtagswahl und Integration Alles schien sich gegen die Veranstaltung in Leimen verschworen zu haben. Die Zeitung hatte einen falschen Termin für die Podiumsdiskussion zum aktuellen Thema „Integration“ veröffentlicht, Staus auf der Autobahn be- oder verhinderten die Anreise zweier Podiumsteilnehmer. So musste man aus der Not eine Tugend machen. Das gelang aber sehr gut. Das Publikum wollte nicht umsonst gekommen sein und forderte den Landtagskandidaten Hansjörg Jäckel auf, die Schwerpunkte seines Wahlprogramms vorzustellen. Der tat das gern. Sein Motto: „Gerechtigkeit geht anders“ erläuterte er an Beispielen von Ungerechtigkeiten, die er beseitigen möchte: Die Gesundheitsreform der schwarz-gelben Regierung mit ihren Belastungen breiter Bevölkerungsschichten und der Entlastung der Arbeitgeber führt direkt zur Kopfpauschale, die das Prinzip der Solidarität auf den Kopf stellt. Löhne, von denen Vollzeitbeschäftigte nicht leben können, sind menschenunwürdig. Gesetzliche Mindestlöhne, wie sie in fast allen EU-Staaten existieren, müssen eingeführt werden. Die zu frühe Selektion des Bildungsweges schon nach vier Grundschuljahren verbaut vielen Kindern ihre Chancen. Ganztagsschulen würden sie verbessern und auch die Anzahl der Jugendlichen ohne Schulabschluss vermindern. Das kostet natürlich Geld. Das sollten in erster Linie die aufbringen, die es haben. Deshalb plädiert er für den Wegfall der Bemessungsgrenze bei der Krankenversicherung. Jäckel weiß, dass seine Ziele nur durch eine andere Landesregierung verwirklicht werden können. Deshalb kämpft er dafür und für eine nicht-schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat, die weitere Ungerechtigkeiten verhindern kann. Man war beim Thema Integration angekommen, als Josip Juratovic den Verkehrsstau überwunden hatte und in Leimen angekommen war. Er stieg sofort in die Debatte ein. Mit der Schilderung seines Lebenslaufs bot der Bundestagsabgeordnete ein Beispiel geglückter Integration. Er war im Alter von 15 Jahren aus Kroatien im damaligen Jugoslawien nach Deutschland gekommen, zunächst als Fließbandarbeiter. Zur Sozialdemokratie fand er, weil die nicht den „Gastarbeiter“ als Arbeitskraft, sondern als Menschen ansahen. Über die SPD und Gewerkschaftsarbeit als Betriebsrat gelang ihm der Einzug in den Bundestag. Hier ist er im Ausschuss für Arbeit und Soziales tätig. Er beobachtet sehr genau die Situation von Migranten in Deutschland und viele Ungerechtigkeiten. Die Bundesrepublik sei, so Juratovic, auf Zuwanderung angewiesen, macht aber unvernünftige Unterschiede. Deutschstämmige werden ohne Probleme aufgenommen, andere müssen um die Anerkennung ihrer beruflichen Qualifikationen kämpfen. Er plädiert dafür, einmal im Ausland erworbene Qualifizierungen prüfen zu lassen und im Erfolgsfall anzuerkennen. Integration sieht er als einen Prozess, dessen Ziel die Identifikation mit der Gesellschaft der neuen Heimat ist. Die Zulassung einer doppelten Staatsbürgerschaft wäre ein Meilenstein auf diesem Wege. Dass Integration nicht die Verleugnung der eigenen Herkunft bedeutet, weiß er aus eigener Erfahrung: Juratovic ist mit einer Donauschwäbin verheiratet, deren Vorfahren ihre Sprache über 300 Jahre im Ausland bewahrt haben. Das Gelingen von Integration hat aber eine zwingende Voraussetzung: Die Migranten müssen willkommen sein und aufgenommen werden. Da hapert es oft noch. Eine angeregte Diskussion sowohl zu den Vorstellungen des Landtagskandidaten als auch zu Josip Juratovics Beobachtungen schloss sich an. Am Ende der Veranstaltung war man sich einig: Mehr Teilnehmer wären schön gewesen, aber eine so gutes Gespräch habe man lange nicht gehabt.
Dieter Lattermann |