SPD-Ortsvereine Leimen und St.Ilgen

Rede der GEW-Kreisvorsitzenden Ulrike Noll zum 1. Mai.
(eine kurze Zusammenfassung)


Der Frage nach guter Arbeit geht die Frage nach Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit voraus. Deutschland ist ein reiches Land. Trotzdem gibt es in steigender Zahl Kinderarmut. Armut belastet und grenzt aus. Es verursacht Hoffnungslosigkeit und Bildungsarmut. Daher sollten alle für den Schulbesuch notwendigen Kosten vom Staat übernommen werden,. Es müssen mehr Ganztagsschulen eingerichtet werden, in denen kostenloses Frühstück, Mittagessen und Hausaufgabenbetreuung angeboten werden.

2006 reiste der UN - Sonderberichterstatter für Bildung Vernor Munoz durch Deutschland. Er stellte viele Fragen: Was ist mit dem Recht auf kostenlose Bildung, wie es die Menschenrechtserklärung von 1948 fordert ? Wieso ist trotz der Erkenntnis über die Bedeutung der ersten Lebensjahre für die Bildung der Besuch von Kindergärten immer noch kostenpflichtig ? Wieso werden sozial Schwächere bewusst schon allein dadurch aussortiert, dass bereits in der Grundschule Arbeitshefte, Bücher und Klassenfahrten bezahlt werden müssen ? Die Empörung galt nicht der Verletzung des Rechts auf Bildung sondern dem Sonderberichterstatter.

Und geändert hat sich bis heute nichts. Die soziale Herkunft und der Bildungserfolg sind stark mit einander verknüpft. Gute Bildung und Chancengleichheit sind das erste Ziel eines wirklich starken Sozialstaates. Dieser Anspruch ist im Artikel 11 der Landesverfassung verankert. Ministerpräsident Mappus erklärt plakativ Baden-Württemberg zum Kinderland , wo bleibt die Chancengleichheit ? Ein Kind aus einer Akademikerfamilie hat immer noch eine sechs Mal größere Chance aufs Gymnasium zu kommen, als ein Kind aus einer Arbeiterfamilie. In Europa sortieren nur noch 17 Länder die Kinder nach der 4. Klasse auseinander. 16 davon liegen in Deutschland ! Wenn Hauptschüler keine Lehrstelle mehr finden, brauchen wir uns über Resignation nicht zu wundern. Wir brauchen nicht nur einen Schutzschirm für Banken. Wir brauchen auch einen Schutzschirm für Ausbildungs- und Arbeitsplätze.

Einher geht eine Privatisierung der Bildung. Das reicht vom teuren Luxus – Kindergarten bis zur Privatuni. Viele Menschen halten die Forderung weniger Staat für einen alternativlosen Sachzwang, weil dies von Werbeagenturen fein verpackt sogar schon im öffentlich - rechtlichen Fernsehen lanciert wird. Gleichzeitig gaukelt das Fernsehen das amerikanische Märchen vom Tellerwäscher zum Millionär tagtäglich vor. Nur den allermeisten Zuschauern bleibt dieser Wunsch versagt. Sie fühlen sich als Versager. Und das sonst Gesendete sorgt dafür, dass 50 % der Bevölkerung nicht einmal wissen, wofür Erst- und Zweitstimme ist. Die Fronten die zusätzlich – wie z.B. Rentner gegen Rentenzahler, Jobinhaber gegen Arbeitslose usw. - aufgebaut werden, lassen Solidarität in Vergessenheit geraten.

Die jetzige Krise zeigt, dass für Banken hunderte von Milliarden da sind, für die Bildung sind die Kassen leer. Das überholte dreigliedrige Schulsystem muss nach dem Vorbild der skandinavischen Länder in Gesamt- und Ganztagsschulen umgewandelt werden. Die Privatisierung öffentlicher Einrichtungen (auch Post und Bahn) nutzt Wenigen und schadet Vielen! Wir brauchen eine neue, nachhaltige Form des Wirtschaftens mit mehr Mitbestimmung in den Betrieben und Verwaltungen sowie einer stärkeren Besteuerung von hohen Einkommen , Unternehmensgewinnen und Erbschaften.

Wir arbeiten auch nicht zu wenig. Arbeitszeitverkürzung schafft Arbeitsplätze !

Lassen wir uns nicht einreden, es sei zu wenig Geld da. Die Verteilung stimmt nicht !

Lassen wir uns nicht einreden, dass Lohnniveau in Deutschland sei zu hoch und mehr Niedriglöhne würde die Beschäftigung steigern. Eine Regierung, die Niedriglöhne duldet, subventioniert Unternehmen unnötigerweise mit Steuermitteln und beschädigt die Würde der Arbeit. Wir halten daran fest: Wir brauchen einen gesetzlichen Mindestlohn ! Und zwar einen von dem man leben kann !


Michael Kaestel