SPD-Ortsverein Leimen Mitgliederversammlung unter dem Thema Hartz IV Ziele, Perspektiven, Umsetzung so lautete der Vortrag, den der Heidelberger SPD-Bundestagsabgeordnete Lothar Binding vergangenen Mittwoch auf Einladung des SPD Ortsvereins Leimen und der Gewerkschaft Bauen Agrar Umwelt vorbereitet hatte. Steigende Arbeitslosigkeit (5,2 Millionen zur Zeit, aber auch schon am Ende der Kohl-Ära im Januar 1998 waren es bereits 4,8 Millionen was mancher nur allzu gern verdrängt), schlechte Ergebnisse bei der Vermittlung von Arbeitslosen immer mehr Langzeitarbeitslose u. a. Faktoren hatten die Notwendigkeit für Veränderungen in der Arbeitsmarktpolitik immer dringender werden lassen. Die Bundesregierung hat dies erkannt und mit Hartz I bis Hartz IV versucht, neue Strukturen zu schaffen, die eine bessere Förderung und Vermittlung ermöglichen sollen. Auf die Erläuterung der einzelnen Gesetze und Maßnahmen soll hier verzichtet werden. Interessierte können die Präsentation binnen kurzem hier unter www.spd-leimen.de nachlesen oder sich Informationen unter den am Ende genannten Internet-Adressen besorgen. Noch interessanter als der Sachvortrag war die lebhafte Diskussion mit dem Referenten, denn die Auswirkungen der Reform wurden insbesondere von den anwesenden Gewerkschaftern und Betroffenen teils recht kritisch gesehen. Kritisiert wurde der schlechte Service bei der Bundesagentur für Arbeit, wo von verstärkten Vermittlungsbemühungen noch wenig festzustellen ist. Binding bedauerte hier zunächst, dass es im Rhein-Neckar-Kreis im Gegensatz zu Heidelberg und Mannheim keine optimale Zusammenarbeit zwischen Kommune (= Kreis) und Bundesagentur im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft geben wird. Dies sei auch ein Nachteil für die Arbeitslosen. Er warb jedoch auch um etwas Geduld für die Mitarbeiter der Bundesagentur, die sich in einer für sie schwierigen Umbruchphase befinden, die noch mit Anlaufschwierigkeiten verbunden sei. Auch sei der angestrebte Betreuungsschlüssel (1 Vermittler : 80 Arbeitslosen) noch nicht erreicht. Bei Schwierigkeiten mit der Bundesagentur in Einzelfällen sagte er seine Unterstützung zu und bat die Betroffenen, sich direkt an sein Büro zu wenden. Auch das gesenkte Leistungsniveau für die meisten ehemaligen Arbeitslosenhilfeempfänger und der Zwang, zunächst Erspartes aufzubrauchen, wurde kritisch gesehen. Binding erläuterte, dass es sich beim Arbeitslosengeld II wie bei der Arbeitlosen- und der Sozialhilfe um keine Versicherungsleistung sondern um Mittel handele, die vom Steuerzahler aufgebracht werden müssen. Die Versicherungsleistung Arbeitslosengeld I werde aus Beitragsleistungen in die Arbeitslosenversicherung wie vor 1985 schon nur für ein Jahr bezahlt und orientiert sich am früheren Verdienst. Die Leistungsdauer ist dabei unabhängig von der Dauer der Beitragszahlung ähnlich wie bei einer Unfallversicherung, die auch eintritt, egal, ob der Versicherte einen Monat oder 30 Jahre Beiträge bezahlt hat. Häufig werde die Arbeitslosenversicherung mit einem Sparbuch verwechselt, bei dem die persönlichen Beiträge aufgespart würden, bis der Betroffenen selbst arbeitslos wird. Dies ist aber wie auch bei Renten- und Krankenversicherung nicht der Fall. Die Arbeitslosenbeiträge werden nicht zurückgelegt, sondern zeitnah für das Arbeitslosengeld aktuelle Arbeitsloser ausgegeben. Beim Arbeitslosengeld II wird im Gegensatz zu bisher nicht mehr das bisherige Einkommen, sondern der notwendige Bedarf für einen angemessenen Lebensunterhalt zugrunde gelegt. Es sei nicht in Ordnung, wenn die Steuern einer Verkäuferin, die 1200 Euro im Monat verdient dazu verwandt würden, einen Arbeitslosen zu alimentieren, der vielleicht 30.000 Euro Bankguthaben habe. Binding sah dabei sehr wohl den Konflikt, dass Menschen, die Rücklagen für das Alter bildeten, dafür im Fall der Arbeitslosigkeit nicht belohnt würden. Der Forderung aus dem Kreis der Zuhörer, der Staat müsse doch etwas gegen die Abwanderung von immer mehr Arbeitsplätzen tun und solle doch z. B. wie unter dem SPD-Arbeitminister Ehrenberg in den 70ern ein Konjunkturprogramm auflegen stellte Binding die geänderten Rahmenbedingungen entgegen. Der freie Handel in der EU von dem Deutschland auch über die Maßen profitiere und Verpflichtungen im Rahmen des Welthandelsabkommens setze nationalen Alleingängen (z. B. Strafzölle) zur Bestrafung ausgewanderter Unternehmen enge Grenzen. Bei einem Konjunkturprogramm in den 70er Jahren seien 90 % der eingesetzten staatlichen Investitionsmitteln in Deutschland geblieben. Diese Gewähr gebe es bei vorgeschriebenen europaweiten Ausschreibungen nicht mehr. Auch Steuererleichterungen oder auf andere Weise mehr Geld für Verbraucher führen nicht zwangsläufig zu mehr Arbeitsplätzen in Deutschland, da niemand gezwungen werden kann, von dem zusätzlichen Geld auch in Deutschland produzierte Waren zu kaufen. Und schließlich müssen aus dem Bundeshaushalt bereits heute mehr als 40.000.000.000 Euro Schuldzinsen im Jahr bezahlt werden. Noch mehr Zinszahlungen seien unabhängig von der 3 %-Obergrenze die der Maastricht-Vertrag vorgibt verantwortungslos gegenüber kommenden Generationen. Und auch den Vorwurf, die Unternehmen in Deutschland unverhältnismäßig von Steuern zu entlasten widerlegte Binding mit großer Sachkenntnis. Auch wenn am Ende nicht alle einer Meinung waren. Eines wurde deutlich: Die wirtschaftlichen Zusammenhänge in einer globalisierten Welt mit offenen Grenzen und freiem Handel sind nicht mehr so einfach wie vor 20 oder 30 Jahren. Es gibt keine Patentlösungen für das Arbeitslosenprobleme unserer Zeit. Tragfähige Lösungen zu finden, die den Belangen der Arbeitslosen aber auch den Zwängen der öffentlichen Kassen gerecht werden, ist die wichtigste nationale Aufgabe. Weiterführende Informationen im Internet unter
Die nächsten Treffen der SPD Leimen:
Wolfgang Krauth |