SPD Ortsverein Leimen

Neugründung nach dem 2. Weltkrieg


Gründungsversammlung der S.P.D. am 27. Okt. 1945

Am Samstag, den 27. Okt., fand im Nebenzimmer der Bergbrauerei die erste Zusammenkunft der ehemaligen Parteigenossen statt. Der Sinn und Zweck dieser Zusammenkunft war doch, die Partei, die im Jahre 1933 durch den Hitlerismus verboten und aufgelöst worden war, „Neu“ erstehen zu lassen. Erfreulicherweise waren „Alle“ geladenen Genossen, die sich in ihren Grundsätzen zur Demokratie nicht erschüttern ließen, restlos erschienen. Genosse Reidel, der die Versammlung eröffnete, wies in seinen Ausführungen ganz besonders darauf hin, daß für die Zukunft sich die Partei anders gestalten möge, als wie in der Vergangenheit. Vor allem sei es von großer Wichtigkeit, die gesamte Parteiführung mit jungen Kräften zu besetzen, die den Mut und den Willen in sich tragen, für einen demokratischen Sozialismus für alle Zukunft etwas Ersprießliches zu leisten. Hiermit sei aber nicht gesagt, daß die sogenannten „Alten“ ausgestoßen werden. Im Gegenteil! Wir danken ihnen für ihre geleistete Vorarbeit im politischer, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht und hoffen und wünschen, daß sie auch fernerhin der jungen Garde mit Rat und Tat immer zur Seite stehen. Ferner wollen wir nicht nur die Fehler der Vergangenheit kritisieren, sondern auch das Gute stets anerkennen. In seinen weiteren Ausführungen betonte Ge. Reidel, daß der Ruck nach links geht und in dessen Erkennung wir auch stets gewillt sind, mit unseren „Kommunistischen Genossen“ eine engste Zusammenarbeit herbei zu führen. Nach der Ehrenbezeugung für alle Opfer, die der Nazismus forderte, ging man zur Vorstandswahl über. Die Versammlung wählte einstimmig:

Reidel Ferdinand, zum I. Vorstand.
Frei Jakob, zum II. Vorstand.
Flory Karl, Kassier.
Hess Peter, Schriftführer.
Als Beisitzer wurden: Kalbrunner Franz, Suntz Daniel, Dielhenn Jakob, Sterzenbach Ludwig und Seitz Heinrich gewählt.

Zur weiteren Mitarbeit der kommenden Wahl und für die Gemeindepolitik wurden hinzu gewählt die Genossen: Bürgermeister Appel, Neuner B., Reidel Joh. und Bähr R. Nachdem sich die gesamte Wahl reibungslos abgewickelt hatte, schloß sich eine rege Diskussion an. Genosse Dielhenn schlug vor, daß bei allen Veranstaltungen der Partei, Plakate zum Aushang kommen und Versammlungen auch in der Presse bekannt gegeben werden. Ferner beschließt die Versammlung, daß am 2. Sonntag im Mt. Nov. eine öffentliche Versammlung stattfinden soll. Genosse Bähr wünscht, daß vor allem die jungen Genossen zur politischen Erziehung herangezogen werden müssen. Sport allein ist keine demokratische Bildung. Wer an den kommenden Bildungsvorträgen nicht teilnimmt, kann von der sportlichen Betätigung ausgeschlossen werden. Ferner betont der Redner, daß alle Jugendlichen u. Lehrlinge in den Betrieben sportliche und politische Ausbildungen erhalten sollten. Auch wird den Genossen zur Pflicht gemacht, sich an der Werbung von Mitgliedern rege zu beteiligen. Zu den kommenden Gemeindewahlen sind alle Pg! (= Parteigenossen der NSDAP) und solche Elemente, die als Aktivisten und Denunzianten gekennzeichnet sind, von der Abstimmung auszuschließen. Auch wünscht die Versammlung engste Zusammenarbeit mit den übrigen demokratischen Parteien. Unter denen soll eine Kommission gebildet werden, die die Wünsche und Angelegenheiten in der Gemeinde, dem Gemeinderat vortragen sollen. Die Mitglieder-Versammlung wurde auf jeden 2. Mittwoch im Monat, im Parteilokal Z. Bergbrauerei festgelegt. Zum Schluß bittet der Versammlungsleiter alle noch versteckte Literatur der Partei zur Verfügung zu stellen. Um die schon bereits entstandenen Ausgaben zu finanzieren, ergab eine Hellersammlung den Betrag von 61,- R.M. Bei der oben datierten Versammlung waren 30 Genossen anwesend. Der Schriftführer gez. Peter Hess.


Das handschriftlich überlieferte Protokoll wurde abgetippt und mit einer kursiv gedruckten Anmerkung versehen. Es ist ein Dokument des demokratischen Neuanfangs in Leimen nach der Nazi-Diktatur und gibt einen guten Eindruck von der Stimmung wenige Monate nach dem 2. Weltkrieg wieder.

Wolfgang Krauth