SPD Ortsverein Leimen Zukunftsaufgaben der Sozialdemokratie
Detlev Albers ist Professor an der Universität Bremen und leitet dort das Bremer Forum für Europäische Regionalpolitik; er ist Mitglied der Grundwertekommission der SPD und bringt in diese Diskussion besonders europäische Ideen ein. Albers war daher idealer Gesprächspartner in der Diskussion über die Zukunftsaufgaben der Sozialdemokratie, zu der die SPD Leimen zusammen mit Gert Weisskirchen, MdB, kurz vor der Europawahl eingeladen hatte. Der Ortsvereinsvorsitzende Wätjen, selbst aus Bremen stammend, begrüßte den „Bremer Landsmann“ in der Kurpfalz und erwähnte das vor kurzem gefeierte 100-jährige Jubiläum des Ortsvereins. Weisskirchen wies auf die geschicksträchtige Landschaft hin; er erinnerte an den aus Eichtersheim stammenden Friedrich Hecker, der vermutlich das Wort „Social-Demokratie“ geprägt habe, und reklamierte unsere Gegend als eine der Stammlande der Sozialdemokratie. Albers erwähnte einleitend, dass er eine Woche vor der Eurowahl zum 100-jährigen Bestehen der Litauischen Sozialdemokratie in Riga reden werde; das Erfurter Programm der SPD von 1891 sei Vorbild für viele andere europäische Länder gewesen, neben Österreich und Italien auch für die baltischen Länder. Die Überlegungen, die er über die Zukunft der Sozialdemokratie vortragen wolle seien nicht auf die deutsche Sozialdemokratie beschränkt, sondern gälten für europäische Sozialdemokratische Bewegung. Er sehe drei Paradoxien in der europäischen Linken, die es aufzulösen bzw. zu überwinden gelte. Die erste fände sich in der Haltung der Linken zum Nationalstaat. Die Linke sei einmal angetreten unter dem Motto „Proletarier aller Länder vereinigt Euch“, sie kämpfte für die Verbesserung der Lebensbedingungen für alle Menschen, für ein Ziel, das die ganze Welt angehe. Heute sei die Linke dem Nationalstaat verhaftet, während der Kapitalismus global agiere. Die zweite Paradoxie bestünde in der Haltung der Linken zur Europäischen Idee. Auch hier habe sich die deutsche Sozialdemokratie in den zwanziger Jahren für die Vereinigte Staaten von Europa stark gemacht (im Heidelberger Programm von 1925), nach dem zweiten Weltkrieg sei die Vereinigung Europas allerdings nicht mehr von den Linken vorangetrieben worden. Heute müssten erneut linke Visionen entwickelt werden, die Deregulierung dürfe nicht zum Markenzeichen Europas werden; die europäische Sozialunion müsse gleichberechtigt zur europäischen Wirtschaftsunion treten. Die dritte Paradoxie schließlich läge in der indifferenten Haltung der Linken zur Einführung der Wirtschaftsdemokratie. Eine ihrer Grundideen war neben dem allgemeinen Wahlrecht auch die demokratische Kontrolle der Wirtschaft. Heute würden alternative Strukturen zum Weltkapitalismus nicht mehr von der Linken entwickelt, sondern von außerparlamentarischen Organisationen. Wie könnten diese Paradoxien überwunden werden, fragte Albers und stellte seinen Antworten zur Diskussion. Erstens müsse die Bildung einer Sozialdemokratischen Partei Europas angestrebt werden. Hierbei seien die Rechte der kleineren Parteien sorgfältig zu schützen, ähnlich etwa dem Schutz der kleineren Staaten in der europäischen Verfassung. Zweitens dürfe der Sozialstaat nicht nur verteidigt werden, er müsse reformiert und weiterentwickelt werden. Veränderungen müssten konzipiert werden, ohne die Kernsubstanz zu verändern; die Agenda 2010 sei nur ein erster Ansatz. Die Weiterentwicklung des Sozialstaates dürfe nicht auf Deutschland beschränkt werden, sie gelte es europaweit anzupacken. Drittens müsse eine europäische Wirtschaftsdemokratie geschaffen werden, der Neoliberalismus dürfe nicht zur Basis der europäischen Wirtschaft werden. Hier müsse die Sozialdemokratie gemeinsam mit den Gewerkschaften europaweit offensiv handeln. Und letzten Endes dürfe die Sozialdemokratie angesichts der Globalisierung nicht innerhalb des europäischen Horizontes gefangen bleiben, sondern müsse ihre Konzepte weltweit entwickeln und vertreten. Im anschließenden Gespräch wurden die Themen von Albers hinterfragt und kommentiert, den Schwerpunkt bildete dabei der geforderte Umbau der Sozialstaates. Hier wurden auch spezifische Fragen wie die Bedeutung eines gesetzlich garantierten Mindestlohns (in Deutschland oder gar Europaweit) und die Einführung einer Bürgerversicherung nach Schweizer Vorbild erörtert. Nach fast dreistündiger reger Diskussion konnte der OV-Vorsitzende den Abend mit einem herzlichen Dank an Prof. Albers schließen. Dr. Peter Sandner |