SPD Ortsverein Leimen und Ortsverein St. Ilgen Sozialversicherungssysteme auf dem Prüfstand
Die SPD Ortsvereine Leimen und St. Ilgen hatten zu einem Informationsabend zum Thema Sozialversicherung in die Gaststätte Deutscher Kaiser eingeladen. Der Vorsitzende des Ortsvereins St. Ilgen, Karl-Heinz Wagner konnte neben Genossen aus allen Ortsteilen Gäste aus St. Ilgen und von außerhalb sowie den Kreisvorsitzenden der SPD, Lars Castellucci begrüßen. Danach informierte der Bundestagsabgeordnete Lothar Binding über die Zukunftsfähigkeit unserer Sozialsysteme: Rentenversicherung, Krankenversicherung, Arbeitslosen-versicherung, Pflegeversicherung. „In der Bundesrepublik sind alle sozialen Versicherungssysteme auf einem hohem Niveau, und wer dieses System erhalten möchte, muss zu Änderungen bereit sein“ so Binding. In Sachen Gesundheit stecken schon im einfachen Kreislauf Krankenhaus - Pharmaindustrie - Apotheken - Ärzte - Kassenärztliche Vereinigung - Krankenversicherung - Beitragszahler mit dem Patienten in der Mitte genügend Konflikte und widerstreitende Interessen. Weitere Gruppen wie Fachärzte, Labors, Pharmahändler via Internet, verschärfen die Interessengegensätze. Insgesamt werden 260 Milliarden Euro pro Jahr im Gesundheitswesen umgesetzt, davon allein 70 Milliarden im Krankenhausbereich, und diese Branche hätte keine Probleme, jedes Jahr im zweistelligen Prozentbereich zu wachsen, wäre da nicht der unbedingte Zwang zum Sparen. Der Sparzwang wird auch im Grundsatz akzeptiert, nur weiß jede Gruppe immer genau, was alle anderen sparen können, ausgenommen die eigene Gruppe. Die Gesundheitsreform der Koalition will mehrere Ziele verwirklichen - einmal mehr Transparenz: Der Patient soll wissen, was seine Gesundheit wert ist. Versicherungsfremde Leistungen sollen nicht mehr die Beitragszahler belasten, so wird das Mutterschaftsgeld über die Tabaksteuer finanziert. Auch das Krankengeld - nach Ablauf der Lohnfortzahlung - soll nicht mehr die Lohnnebenkosten belasten, und über die Deckelung der Einkommen und eine „Positiv-Liste“ werden auch Ärzte und Pharmaindustrie zum Sparen angehalten. Dabei muss auch weiterhin gelten, dass jeder Versicherte den Anspruch auf die notwendige Krankenbehandlung hat, und „notwendig ist immer noch mehr als das, was erforderlich ist, um die Not zu wenden“, so der Referent. Nun wandte sich der Abgeordnete den Thema Alterssicherung zu. Ziel der Rentenreform ist es, die Alterssicherung zukunftsfähig zu machen und auf die Änderungen in der Alterspyramide vorzubereiten. Es geht um eine langfristig sichere und bezahlbare Alterssicherung. Das bedeutet: Die heutigen und künftigen Beitragszahler nicht zu überfordern und das Leistungsniveau auch für die künftigen Rentnerinnen und Rentner auf einem angemessenen Standard zu halten. "22 Mio. Rentner brauchen heute ca. 210 Mrd. Euro aus der Rentenkasse, aber nur 130 Mrd. kommen aus den Versicherungsbeiträgen. Mehr als 70 Mrd. müssen inzwischen aus dem Steuertopf als Zuschuss gezahlt werden, davon allein mit 35 Mrd. die oft kritisierte Ökosteuer. Zum Vergleich: 1990 waren es nur ca. 30 Mrd. Euro bzw. 60 Mrd. DM die als Zuschuss aus Steuermitteln gezahlt wurden; damals wurden die versicherungsfremden Leistungen noch aus dem Rententopf bezahlt. "Zum Glück haben wir heute die versicherungsfremden Leistungen aus der Rentenversicherung herausgenommen. Ein großer Erfolg für unsere Regierung.", so Binding. Zudem wird der ergänzende Aufbau eines Altersvorsorgevermögens staatlich sehr gut gefördert - mit dem größten Programm, das es je gab. Gleichwohl seien Überlegungen anzustellen, die Basis für die Sozialsysteme dadurch zu verbessern, dass die reine Lohnbezogenheit aufgehoben wird. „Auch andere Einkommensarten, insbesondere Kapitaleinkünfte und Mieten, müssen die Basis für die Einnahmen in den Sozialversicherungen verbreitern“, so Binding. Um verschämte Armut insbesondere im Alter zu verhindern, wurden Regelungen zur Einführung einer bedarfsorientierten Grundsicherung geschaffen. Positiv bewertet Binding auch, dass die Witwen- und Witwerrenten reformiert und um eine Kinderkomponente ergänzt wurden. Beitragszeiten in den ersten 10 Lebensjahren eines Kindes werden bis zu 50 % höher als nach früherem Recht bewertet. Ehegatten wird die Möglichkeit eingeräumt, ihre in der Ehezeit erworbenen Rentenansprüche partnerschaftlich aufzuteilen. Die wichtigste Aufgabe bei der künftigen Sicherung der Sozialversichungssysteme ist die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Nur eine hohe Zahl von Beitragszahlern erlaubt es, die Lohnnebenkosten, aus denen die Systeme bedient werden, niedrig zu halten. Zwar bedeutet deren Sinken nicht ohne weiteres neue Arbeit, doch sind hohe Nebenkosten Gift für die bestehenden und neue Arbeitsverhältnisse. Mit der Umsetzung der Hartz-Empfehlungen sei die Koalition auch hier auf dem richtigen Weg. Binding zeigte noch andere Möglichkeiten auf, auch weniger Qualifizierten durch direkte Hilfen Chancen im ersten Arbeitsmarkt zu schaffen. Im Rahmen der lebhaften Diskussion konnte Binding den Versuch eines auswärtigen Gastes, der Regierung mit dem Vorwurf einer verfehlten Steuerpolitik die Verantwortung für die leeren Kassen zuzuweisen, überzeugend widerlegen. Er zeigte auf, dass ein an sich schlüssiges Steuerkonzept für Kapitalgesellschaften - weniger Steuern, dafür Begrenzung der Verlustverrechnung und der Gewinnverlagerung auf Holdings - nur in der Übergangsphase zu negativen Körperschaftssteuern geführt habe. Auch den Vorschlägen, höhere Sozialausgaben durch eine höhere Verschuldung aufzufangen, erteilte der Referent abschließend eine klare Absage. Dem Bundestagsabgeordneten war es gelungen, eine komplizierte und teilweise trockene Materie interessant und anschaulich zu vermitteln. Dietrich Unverfehrt |