Leserbrief von Dr. Heiner Neureither an die RNZ

Zu dem Leserbrief von Karl-Heinz Wagner vom 16.01.03
Blick in die Region: Ladenschließungen als Ergebnis freier Marktwirtschaft.


Dr. Heiner Neureither
Im Kreuzgewann 19
69181 Leimen

22. Januar 2003


Die Verlagerung des Einkaufs in die Supermärkte am Ortsrand und die damit verbundene Schließung von kleineren Ladengeschäften in den Innenbezirken ist zunächst ein Ergebnis der wirtschaftlichen Konzentration, die in den USA längst Alltag ist. Es ist müßig, Vor- und Nachteile aufzuführen und besonders für wen. Auch die kausalen Zusammenhänge sind komplexer, als das man jetzt alles der "freien Marktwirtschaft" in die Schuhe schieben dürfte. Um der historischen Wahrheit willen muß allerdings die saloppe Behauptung, die CDU habe zusammen mit der FDP die freie Marktwirtschaft als Alternative zum Sozialismus verteidigt, gerügt werden. Freilich war die Nachkriegs-SPD unter Kurt Schumacher in den ersten Jahren im Hinblick auf die damalige wirtschaftliche Situation gegen das kapitalistische System. Dasselbe gilt aber auch für die CDU (siehe Ahlener Programm). Doch spätestens seit dem Godesberger Programm von 1959 bekennt sich die SPD zur sozialen und freien Marktwirtschaft. Das Ringen um den jeweiligen Anteil von liberalen und sozialen Komponenten in der Wirtschaft durchzieht die Politik der wechselnden Regierungskoalitionen seit Gründung der Bundesrepublik, je nach dem, welche Kräfte und Gruppierungen sich durchgesetzt haben. So kann man der CDU keinesfalls richtungweisende sozialpolitische Entscheidung absprechen.

Die Rolle des Staates als Instrument der Durchsetzung wirtschaftlicher und sozialer Richtlinien darf dabei nicht überschätzt werden. Wichtig allein ist, daß alle am Wirtschaftsgeschehen Beteiligten sich ihrer sozialen Verantwortung für das Gemeinwesen bewußt sind, dazu gehört auch der aus allen Schichten stammende Konsument von Billigangeboten der Supermärkte. Und versucht nicht der neue Wirtschaftsminister Clement (SPD) eine stärkere Liberalisierung, um wirtschaftliche Kräfte zur Entfaltung zu bringen? Das sozialistische Experiment der Planwirtschaft ist doch letztlich darum gescheitert, weil die Freiheit fehlte.

In gewisser Weise liegt es auch in der Hand der Kommunen, ob sie Gewerbegebiete für die Ansiedlung von Supermärkten - wegen erhoffter Gewerbesteuergewinne - ausweisen. Das am Stralsunder Ring in Leimen entstandene überdimensionale Supermarktviertel, in dem nicht nur Leimener Konsumenten einkaufen, gibt zu bedenken, weil hier die gesamtwirtschaftliche Solidarität beschädigt wird.


Dr. Heiner Neureither
SPD Mitglied, OV Leimen