SPD Gemeinderatsfraktion

"Mit 62 habe ich meine Schuldigkeit getan"

Nach 34 Jahren verlässt Hans-Henning Mohring den Gemeinderat der Stadt Leimen
Ein RNZ-Gespräch mit dem SPD-Fraktionschef - von Alexander Werschak


Das Interview darf mit freundlicher Genehmigung von
Alexander Werschak und der RNZ
hier veröffentlicht werden. Wir bedanken uns dafür.


Hans-Henning Mohring       

Zu ihm passt der Begriff "politisches Urgestein": Hans-Henning Mohring, der über ein Dritteljahrhundert Gemeinderat war, hört zum Ende des Monats auf. Der SPD-Fraktionssprecher wurde 1940 in Berlin geboren und verbrachte seine Schulzeit in Schwäbisch Hall, wo sein Vater die gleichnamige Bausparkasse aufbaute. Mohring, der noch lange in seiner Wieslocher Kanzlei arbeiten will, und seine Frau Christiane haben zwei Kinder.

  • Herr Mohring, warum geben Sie jetzt Ihr Gemeinderatsmandat auf?
Eigentlich aus demselben Grund heraus, aus dem ich angefangen habe. Und das ist eine Story für sich: Weihnachten 1964 haben sich meine jetzige Frau und ich entschlossen, gegen stärksten Widerstand der jeweiligen Eltem zu heiraten, obwohl ich noch Student war. Ich hatte damals eine Studentenbude am Schlierbachhang, in der es unmöglich war, zu zweit zu leben. Und von Weihnachten bis Fasching bin ich dann jeden Morgen im Morgengrauen bei der RNZ vorgeritten und habe sämtliche Mietangebote durchforstet. Und irgendwann war doch mal ein Mietangebot drin: Dachwohnung zehn Kilometer südlich von Heidelberg. In einer äußerst weinseligen Stiwnung heben wir dann von Samstagnacht auf Sonntag ein achtseitiges Bewerbungsschreiben für diese Wohnung aufgesetzt. Und wir haben schon lange nicht mehr daran gedacht, da klopfte es eines abends an der Tür, und da stand ein kleiner kugeliger Mann mit Glatzkopf draußen mit seiner ebenso kugeligen Frau ...
  • ... das war Robert Herb aus St. Ilgen.
Ja. Dieser Robert Herb hatte 1948 in St. Ilgen den Tischtennisclubb Schwarz-Gold gegründet. Und er dachte nun, eine Lehrerin und ein Student: Die müssten der. deutschen Sprache mächtig sein. Und unter der Voraussetzung, dass ich mindestens zwei Mal pro Monat positive Artikel über den Tischtennisclub für die damaligen Gemeindenachrichten schrieb, bekam ich für ein Spottgeld die Wohnung.
  • So kamen Sie nach St. Ilgen, aber wie zogen Sie dann in den Gemeinderat ein?
Dieser Tischtennisclub konnte lediglich einen.Abend in der Woche auf zusammengestellten Tischen im Gasthaus "Adler" trainieren. Und nun hieß es, wir brauchen eine Heimstatt für den Club. Aber das ging nur über eine Mehrheit im Gemeinderat. Und damals waren CDU und SPD im St. Ilgener Gemeinderat gleich stark - und die SPD war dafür und die CDU dagegen.
  • Also musste man Mehrheiten verändern.
Natürlich. Robert Herb war von seiner politischen Gesinnung her aber so schwarz, dass er im Kohlenkeller einen Schatten geworfen hat. Und seine CDU-Freunde zogen nicht mit. Robert Herb war aber mit dem Vorsitzenden des Athletenclubs - die traditiönell linkslastig waren -, mit Robert Sauer, befreundet. Und da hat er zu ihm gesagt: Du mnsst jetzt meinen Mann auf der SPD-Liste unterbringen.
  • Zu Ihrer Parteizugehörigkeit kamen Sie demnach wie die sprichwörtliche Jungfrau zum Kind?
Ja, wenn 5ie sich meine Herkunft ansehen - um Himmels willen. Ich durfte meiner Mutter mindestehs sechs, sieben Jahre nicht sagen, dass ich in der SPD bin. Aber ich könnte in keiner anderen Partei sein.
  • Sie wurden dann gleich im ersten Anlauf - als damals jüngstes Mitglied - 1968 in den Gemeinderat gewählt.
Der Tischtennisclub bekam in der ehemaligen Zigarrenfabrik sein eigenes Domizil. Und jetzt hören Sie auf: Sie sagten, aus dem gleichen Grunde heraus, aus dem Sie angefangen hätten? Ich bin damals in den Gemeindderat gekömmen, um dem Tischtennisclub Schwarz-Gold zu dienen. Und im Moment sieht es so aus, als müsste der Club liquidiert werden.
  • Und das soll der einzige Grund sein? Das glaube ich nicht.
(lacht) Das stimmt so auch nicht. Ich habe als Rechtsanwalt einen wunderschönen Beruf. Und die Gesellschaft hat es mir ermöglicht, diesen wunderschönen Beruf zu ergreifen, zu studieren. Und dafür wollte ich der Gesellschaft etwas zurückgeben; die in diesem Bemf erworbenen Fähigkeiten wieder für die Gesellschaft einsetzen.
  • Stichwort "Fähigkeiten". $ie gehören damit - etwas überspitzt - zum klassischen Politikertyp, der entweder Lehrer, Pfarrer oder Jurist ist. Warum stammten so viele Politiker aus diesen Berufsgruppen?
Nach meiner unmaßgeblichen Meinung: Weil sie in ihrem Beruf gescheitert sind. Und dann brauchten sie das als ausweichende Tätigkeit.
  • Sie wollten der Gesellschaft etwas zurückgeben, sagten Sie. Jetzt ist es genug?
Ja, ich habe meine Schuldigkeit getan.
  • Und in der Rückschau: Konnten Sie politisch so mitgestatten, wie Sie das wollten?
In St. Ilgen war das sicher noch möglich. Aber jetzt ist des - sagen wir mal seit den letzten zehn Jahren - schlicht und einfach nicht mehr möglich. Ich konnte mich nicht mehr durchsetzen: weder ich noch meine Fraktion. Wir konnten absolut nichts mehr erreichen. Wir haben nie den Hauch einer Mehrheit gehabt.
  • Gab es Widerstände der Stadtverwaltung?
Natürlich.
  • Damit sind.wir bei der Ära des früheren Obeibürgermeisters Herbert Ehrbar. Hat man denn gewusst, dass etwas "faul ist im Staate Dänemark", in der Stadt Leimen?
Selbstverständlich. Dass etwas nicht gestimmt hat, hat man gewusst.
  • Und seit zehn Jahren, äußerten Sie vorhin, blieben Ihnen politische Erfolge verwehrt?
Eigentlich schon seit 1975, seit wir Großgemeinde geworden sind.
  • Wogegen Sie sich ja - als "Zugereister" mit aller Macht gestemmt hatten. Neben anderen holte die SPD unter ihrem Vorsitzenden Hans-Henning. Mohring damals auch den Juso-Vorsitzenden Gerhard Schröder nach St. Ilgen, umfür die Selbstständigkeit zu kämpfen. Warum war die Zusammenlegung der Gemeinden so schlimm?
Weil dadurch das Interesse der Bevölkerung weggefallen ist. Weil die Menschen seither sagen: Die machen sowieso, was sie wollen.
  • War die' "Zwangsfusion" mit Leimens die ärgste politische Niederlage?
Ja. Als der Staatsgerichtshof "Nein" sagte.
  • Und was war der schönste Erfolg?
Als Wolfgang Ernst vor gut zwei Jahren zum Oberbürgermeister gewählt wurde. Er hatte ja eigentlich keine Chance.
  • Ist das auch mit ein Grund, aus dem Gemeinderat auszuscheiden? Dass man sagt: Leimen ist jetzt in guten Händen.
Ja. Der Wolfgang Ernst braucht mich und meine Erfahrung nicht mehr.
  • Vielleicht doch noch ein Ratschlag zum Schluss. Was empfiehlt Hans-Henning Mohring, der sich selbst als "geizig" bezeichnet, eine Banklehre gemacht hat und lange in Schwaben lebte, angesichts Leimens finanziell schlechter Lage seinen Ratskollegen?
Man käme meines Erachtens nur aus den Schwierigkeiten heraus, wenn im Gemeinderat eine fraktionsübergreifende Gemeinsamkeit erlangt werden könnte.